Volltext: Zur Psychologie des Schreibens: Mit besonderer Rücksicht auf individuelle Verschiedenheiten der Handschriften

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definieren möge, zweifellos ist, dafs unter gewöhnlichen Ver¬ 
hältnissen nur wer in der Zeit des schnellen Wachstums schreiben 
lernt und dann viel schreibt, sich später zu den wahrhaft Ge¬ 
bildeten wird rechnen dürfen. Alle Analpheten sind ungebildet, 
mögen sie sonst noch so vortreffliche Gemütseigenschaften haben 
und noch so reiche Kenntnisse sich aneignen. Zwischen den 
Ungebildeten, welche gar nicht zu schreiben vermögen, und den 
Hochgebildeten, welche sehr viel geschrieben haben, liegen alle 
Schattirungen der Ungebildeten, Halbgebildeten, Gebildeten, d. h. 
der selbständig und eigenhändig sehr wenig, wenig und (mindestens 
zeitweise) viel schreibenden Menschen. 
Es erscheint hiernach begreiflich, dafs man die Handschrift 
des Ungebildeten von der des Hochgebildeten sogleich unter¬ 
scheiden kann an der Form der Buchstaben. Diese läfst grofse 
Übung und die Befreiung vom Schulzwang ebenso sicher wie 
mangelnde Übung und den fortdauernden Einflufs der Schule er¬ 
kennen. Durch den Mangel an Übung im Lesen und Schreiben in 
der Kindheit wird der ganze Bildungsgang sehr stark beeinflufst: 
das ästhetische Gefühl, das Sprachgefühl, das historische Wissen, 
die Fähigkeit, sich in die Denkweise eines Anderen zu versetzen, 
werden zu wenig kultiviert, können verkümmern. Also fehlen 
die Hauptfaktoren der harmonischen Bildung und damit die 
Grundbedingungen zur Erzeugung harmonischer Formen. Die 
optischen Erinnerungsbilder der Buchstaben sind gewöhnlich, un¬ 
schön, im besten Falle Rudimente der kalligraphischen von der 
Schule her, d. h. geschmacklos. 
Den Beweis dafür liefern die häfslichen überflüssigen Zu- 
thaten in den Handschriften Ungebildeter, welche den Manu¬ 
skripten hervorragender Individuen aller höheren Berufsarten 
fehlen. Die folgenden Unterschriften zeigen den Unterschied 
deutlich :
	        
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