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Die Gründe für diese Verschlossenheit können sehr ehren¬
wert sein, besonders bei einflufsreichen Persönlichkeiten, von deren
Entschliefsungen das Wohl Vieler abhängt. Die Politik, die
Diskretion, welche dem von Haus aus mitteilsamen sehr schwer
wird, kann dabei mitwirken. Wer durch seinen Beruf zur Ver¬
stellung Tag für Tag aufs neue genötigt ist, wird sie auch, wo
sie nicht am Platze ist, aufserhalb der Bühne, mitunter gewohnheits-
mäfsig beibehalten, daher mitunter die Handschrift von talent'
vollen Schauspielern (Taf. VI) auch linksschräg gefunden wird
und andere Zeichen der Verstellung zeigt (S. 123).
Es ist also nicht zulässig, in jedem Palle abnormer Schriftlage
sei sie ganz steil, sei sie stark linksschräg, auf eine mit einem
Mangel an Wahrheitsliebe verbundene Zurückhaltung zu schliefsen.
Mehrere in dieser Weise geschriebene Briefe von strebsamen,
ehrgeizigen, energischen Männern zeigen so viele gute Charakter¬
eigenschaften, dafs die verbreitete Meinung, man müsse ausnahms¬
los jedem, der linksschräg schreibt, mifstrauen, nicht gerecht¬
fertigt ist.
.Die grofse Schwierigkeit, sich die jahrelang beibehaltene
linksschräge Schrift abzugewöhnen, was in einem von mir beob¬
achteten Falle nicht ohne häufige Rückfälle, also nur unvollkommen,
gelang, zeigt, wie fest verwachsen mit der psychischen Konstitution
die Schriftlage ist. Sie bleibt es auch dann, wenn die Zurück¬
haltung sich nur auf eine einzelne Funktion, z. B. politische
Gesinnung, bezieht.
7. Die Dichtung der Zeilen.
Die Bedeutung der aufsteigenden Zeilenriohtung (S. 27) läfst
sich am kürzesten durch das Wort „Optimismus“ ausdrücken,
die der absteigenden durch „Pessimismus“. Zwischen beiden
steht die dem oberen und unteren Rande der Schriftfläche durch¬
weg parallele Linie, die Zeilenrichtung des bei seinen Handlungen
Konsequenten, wenigstens von hoffnungsfreudigen wie traurigen
Stimmungen in seinem Thun weniger abhängigen, weder stark
sanguinisch, noch stark melancholisch veranlagten Gleichmütigen.