Volltext: Zur Psychologie des Schreibens: Mit besonderer Rücksicht auf individuelle Verschiedenheiten der Handschriften

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ohne ein ungewöhnliches Bedürfnis, das eigene Wissen anderen 
anfzudrängen, schliefsen lassen, sind meistens kleiner und 
künstlerischer gestaltet, wie z. B. die von Paul Heyse. 
Ich will hier von den zahlreichen Bogenformen der Majuskeln 
noch eine erwähnen, welche auf Nachahmungstalent zu schliefsen 
gestaltet und sich sehr häufig hei Schauspielern findet. Es ist 
eine starke sinistrokonvexe Biegung des B und P und R und 
einiger anderer Initialien, sowie solcher Minuskeln, die sich, wie 
das ä, dazu eignen. Herr Langenbkuch machte mich darauf 
aufmerksam. Ich fand in der That in den Handschriften von 
dramatischen Künstlern und Künstlerinnen, wie Charlotte Wolter, 
Friederike Gofsmann, Niemann-Seebach dieses Zeichen stark aus¬ 
geprägt, besonders den nach links hinüber geschleuderten Haken im 
kleinen deutschen u mit der Konvexität oben. Bei Sonnenthal 
kommt noch die Arkadenschrift hinzu (s. o. S. 79). Eine Erklä¬ 
rung fehlt. Die folgende Überlegung kann vielleicht zu einer 
solchen führen. 
Wer eine Bewegung oder Stellung, Lage, Haltung nach¬ 
ahmen will, mufs dazu ein Vorbild haben und seine ganze Auf¬ 
merksamkeit darauf konzentrieren. - Er mufs dann alle seine 
eigenen charakteristischen Bewegungen unterdrücken oder zu unter¬ 
drücken sich bemühen. Je vollkommener dieses gelingt, um so 
vollkommener die Nachahmung. Also gehört eine grofse Selbst¬ 
beherrschung, ein gutes Hemmungsnervensystem zum absichtlichen 
Nachahmen oder Reproduzieren eines gesehenen Bildes oder einer 
gehörten Rede. Dazu ist Verstellung notwendig. Allen guten 
Bühnenkünstlern ist die Fähigkeit, sich zu verstellen, in hohem 
Grade eigen und wird im Theater immer aufs neue von ihnen bewährt 
und gefestigt. Daher erscheint es begreiflich, dafs sie auch fern 
von der Bühne, im Privatleben hier und da die Gewohnheit, 
sich zu verstellen, beibehalten — es liegt in ihrem Beruf — und 
besonders, ohne selbst daran zu denken, beim Schreiben und 
Sprechen, sich nicht ganz gehen lassen, sondern mit teilweise!' 
Unterdrückung ihrer natürlichen Bewegungs-, Schreib- und Sprech¬ 
weise, wie sie vor dem Beginne der dramatischen Interessen 
ihnen eigen waren, nicht immer die bei anderen natürlichen 
Bewegungen machen. Beim Schreiben ist nun die Richtung der 
Feder nach links unter gewöhnlichen Umständen nicht so natür¬ 
lich wie die nach rechts. Die unbegründete Behauptung von
	        
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