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eine starke Neigung, zu anderen hinaufzusehen, bedeutet, liegt nicht
vor. Da hei einer ganzen Reihe von Majuskeln eben derselbe Unter¬
schied konstatiert werden kann, indem das unbewufste Zusammen¬
wirken derselben psychischen Faktoren bei Erzeugung der ver
schiedensten Schriftbilder hervortritt, so möchte ich die Vermutung
aussprechen, dafs hier einerseits das Herabsehen des Stolzen
auf andere, andererseits das Hinaufsehen des Ehrgeizigen zu
anderen in Betracht kommen kann. Denn was im Vorde rgrunde
des seelischen Geschehens steht, wird bei der Aufserung prävalenter
Vorstellungen durch die Schreibbewegungen mit in den Vorder¬
grund treten, also bei der Entstehung der Anfangsbuchstaben der
Wörter, der Sätze, besonders aber eines Briefes und der Adresse
desselben, hervorstechend mitwirken können. Überwertige Ideen
kommen zuerst zur Geltung, minderwertige zuletzt. Also darf
man vielleicht annehmen, dafs der Gedanke und das Gefühl,
andere zu überragen, bei dem Stolzen während der Bildung des
inneren Majuskelbildes aus den aufgespeicherten Schrift-Erinne¬
rungsbildern sich unbewufst geltend macht durch das weiter hinauf¬
steigende erste Stück, welches die folgenden oder das folgende
überragt. Umgekehrt bei dem, der sich anderen unterordnet, in
irgend einem Punkte sieh von ihnen abhängig fühlt. Da ist die
erste Federbewegung von geringerer Exkursion, als die folgenden
oder die folgende (Schriftproben S. 99). Die merkwürdige Er¬
hebung des mittleren Stückes im M und im W über die beiden
anderen Theile hinaus würde dann einem Herabsehen des Empor¬
kömmlings auf seine eigene einfache Vergangenheit und zugleich
auf andere, die es nicht so weit brachten, entsprechen. Auch
das kleine m zeigt solche Verschiedenheiten.
Eine andere charakteristische Form erhalten viele Majuskeln
und Endbuchstaben dadurch, dafs die Federspitze centripetal zum
Schreibenden zurückbewegt wird nach der Fertigstellung des
grofsen Anfangsbuchstabens oder des Wortes, z. B. :