Veränderung der Linsenkrümnmng.
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anzunehmen, dass die Krümmung der brechenden Flächen verändert
werde. In erster Linie hat man wohl die Hornhautkrümmung ins
Auge gefasst. Eine Aenderung derselben könnte aber wie ein Zu¬
rückweichen der Polargegend der Netzhaut nur durch eine Gestalt¬
veränderung des ganzen Bulbus bewirkt werden und ist eine solche
aus den oben angeführten Gründen schon sehr unwahrscheinlich. Es
ist auch schon vor vielen Jahren von Kohlrausch experimentell
nachgewiesen, dass die Hornhautkrümmung bei der Anpassung für
die Nähe keine Aenderung erleidet. Der Grund der vermehrten
Myopie bei der Anpassung kann demnach schon von vornherein
eigentlich nur in Veränderungen der Linse gesucht werden. Zur
Aenderung ihrer Lage und Gestalt reichen auch schon geringe Kräfte
aus, da der intraokulare Druck von allen Seiten auf dieselbe wirkt
und mithin nicht als Gegenkraft in Betracht kommt. Aehnlich wie
eine Verstärkung der Krümmung würde übrigens auch ein Vorschie¬
ben der ganzen Linse gegen die Hornhaut hin wirken, auch dadurch
würde der Erfolg herbeigeführt werden, dass ein in der wässrigen
Feuchtigkeit fortgepflanztes Strahlenbündel früher zur Vereinigung
kommt. Die Annahme, dass die Anpassung für die Nähe auf dem
Vorrücken der Linse beruhe, ist von Hueck sehr sorgfältig entwickelt
und hat sich in der physiologischen Optik lange Zeit behauptet. Dies
ist um so merkwürdiger als ihr nicht nur die Schwierigkeit einer
mechanischen Erklärung des Vorrückens entgegensteht, sondern noch
weit mehr der Umstand, dass die faktischen Leistungen des Accom-
modationsvermögens ein so weites Vorrücken fordern würden, dass
es dem oberflächlichsten Blicke nicht entgehen könnte.
Obwohl nach diesen Erwägungen schon von vornherein die An¬
passung des Auges für die Nähe kaum anders erklärt werden kann als
durch verstärkte Krümmung der Linse, so ist doch diese Theorie
in der Geschichte der Wissenschaft erst zuletzt aufgetreten. Nachdem
zuerst M. Langenbeck beiläufig bemerkt hatte, dass die von den
Linsenflächen gelieferten Reflexbilder bei der Anpassung für die Nähe
Veränderungen erleiden, haben später Cramer in Holland und Helm¬
holtz gleichzeitig und unabhängig von einander in exakter Weise
durch Beobachtung dieser Veränderungen nachgewiesen, dass die
Anpassung des Auges für die Nähe bewerkstelligt wird durch Zu¬
nahme der Krümmung beider Linsenflächen, so jedoch, dass vorzugs¬
weise die vordere Linsenfläche stärker gewölbt wird und dass der
hintere Linsenscheitel merklich an Ort und Stelle verbleibt.
Wir folgen bei der ausführlicheren Darstellung den Untersuchun¬
gen von Helmholtz, die an denselben Augen angestellt sind, an