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Fick, Physiol. Optik I. 4. Cap. Das schematische Auge.
können und die gar nicht oder wenig abseits von der Axe liegen,
fallen in Punkte der Polarzone der Netzhaut.
Hiermit stimmt die allgemein bekannte Thatsache überein, dass
es viele Augen giebt, welche kosmische Objekte wie den Mond und
die Sterne oder auch sehr entfernte terrestrische wie einen Berg¬
gipfel und dergl. vollkommen deutlich sehen, was ja die Entstehung
eines deutlichen Bildes in Coincidenz mit einer Netzhautschicht zur
Voraussetzung hat. Man pflegt diese Beschaffenheit des Auges als
die eigentlich normale anzusehen, und man nennt ein Auge, bei
welchem die hintere Brennebene mit der Polarzone der Netzhaut
zusammenfällt, ein „emmetropisches“.
Es verdient ausdrücklich hervorgehoben zu werden, dass die bis
jetzt angestellten Betrachtungen gar nichts aussagen über den Gang
derjenigen Strahlenbündel durch das Auge, welche von weit abseits
der Axe gelegenen Punkten ausgegangen sind, denn auf solche sehr
schräg durch ein System centrirter Trennungsflächen gehende Strahlen
leiden die Gesetze des ersten Abschnittes keine Anwendung. Es
verdient aber andererseits auch hervorgehoben zu werden, dass diese
sehr schräg ins Auge gelangenden Strahlenbündel zum eigentlichen
genauen Sehen so gut wie gar nicht beitragen, weil, wie später
noch zu erörtern sein wird, nur ein sehr kleines Netzhautstück
um den hinteren Pol herum so organisirt ist, dass dicht nebeneinan¬
der liegende Elemente unterscheidbare Empfindungen vermitteln kön¬
nen. Wie ausserordentlich begrenzt dieser fein organisirte Netzhaut¬
bezirk ist, kann man leicht durch folgenden Versuch erfahren. Man
lege ein Buch mit gewöhnlicher Druckschrift in etwa 25 cm. Ent¬
fernung vor das Auge, bedecke es mit einem weissen Blatt Papier,
auf welchem ein Punkt als Fixationszeichen angebracht ist, nun rücke
man für einen Moment das bedeckende Blatt fort und schiebe es so¬
fort wieder an seine vorige Stelle. Man wird dann schwerlich mehr
als ein Wort von 5 mm. Länge deutlich lesen können, was einem
Gesichtswinkel von etwas über 10 entspricht. Wenn also ein Ob¬
jektpunkt nur soweit abseits der Axe liegt, dass sein Richtungsstrahl
mit der Gesichtslinie (die hier als Axe gelten muss) einen Winkel
von etwas über V20 macht, so fällt der Bildpunkt schon auf Theile
der Netzhaut, die für so genaues Sehen, wie es zum Lesen erforder¬
lich ist, nicht mehr geeignet sind. Aus dem bloss dioptrischen Ge¬
sichtspunkt würden sicher weit mehr seitlich gelegene Objektpunkte
noch zulässig sein. Wir sind somit berechtigt, fürs erste die schräg
einfallenden Strahlenbündel noch ganz 'ausser Acht zu lassen und
noch einige weitere Betrachtungen anzustellen, die sich in aller Strenge