Purkin je’s Aderfigur.
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Schicht der Netzhaut etwa 0,2 bis 0,3 mm. hinter der gefässführen-
den liegen müsse. Die reizbare Schicht der Netzhaut ist hiernach
jedesfalls eine der äussersten. Es werden sich aus der Lehre von
der Lichtempfindung später noch Gründe ergeben, aus welchen man
die Eigenschaft der Reizbarkeit durch Licht der äussersten Schicht der
Netzhaut, nämlich der Stäbchen- und Zapfenschicht zuschreiben muss.
Dass beim gewöhnlichen Sehakte die Schatten der Gefässe nicht
auffallen, hat seinen Grund theils darin, dass hierbei keine eigent¬
lichen Kernschatten in der reizbaren Netzhautschicht entstehen. Ist
nämlich das ganze Sehfeld mit mehr oder weniger hellen Objekten
erfüllt, so wirkt die Pupille gleichsam wie eine leuchtende Scheibe.
Da nun die stärksten Zweige der v. centralis retinae nur 0,038 mm.
dick sein sollen, so würde ihr Kernschatten — eine 4 mm. weite
Pupille als Lichtquelle gedacht — nur etwa 0,17 mm. lang sein, also
noch nicht, bis in die reizbare Stäbchenschichte reichen. Die ver¬
waschenen Halbschatten werden aber unbemerkt bleiben, weil sie
sich beständig auf denselben Netzhautelementen halten und diese da¬
her durch die relative Schonung an Reizbarkeit gewinnen, was ihnen
an Reizstärke durch die Beschattung entgeht.
Wenn diese längst allgemein anerkannte Erklärung für die Un-
merklichkeit der Gefässschatten beim gewöhnlichen Sehen richtig ist,
so müssen dieselben bei erstem Aufschlag der Augen auf jedem hellen
Hintergrund erscheinen1, wenn das Auge längere Zeit geschlossen war,
so dass alle Elemente der Netzhaut eine gleiche Reizbarkeit erlangt
haben. Dies kann man in der That sehr leicht beobachten. Ich sehe ei¬
nige Gefässschatten beim ersten Augenaufschlag schon aufblitzen, wenn
ich das Auge nur eine einzige Minute vorher geschlossen gehalten habe.
Bei dieser Art die Gefässschatten sichtbar zu machen tritt aber etwas
noch auffälliger hervor als bei jeder anderen, was mir zu beweisen
scheint, dass die Unsichtbarkeit der Gefässschatten im gewöhnlichen
Sehakte doch noch andere Gründe haben muss als die gemeiniglich
angeführten, dass nämlich die Reizbarkeit der ausserhalb der Ge¬
fässschatten liegenden Netzhautelemente durch die stärkere Bestrah¬
lung alsbald abgestumpft würde. Es müssten nämlich in Folge dieses
Umstandes die beim ersten Augenaufschlag erscheinenden Gefäss¬
schatten dadurch verschwinden, dass die Helligkeit des Grundes zu
dem Grade herabsänke der in den Schatten herrscht. Faktisch ver¬
schwinden aber die Schatten indem ihre Helligkeit auf den Grad der
Helligkeit des Grundes rasch ansteigt. Es muss also ohne Zweifel
noch ein bisher übersehener wirksamer Umstand aufgesucht werden.
1 Hermann, Grundr. d. Physiol. 5. Aufl. S. 366.