114 Fick, Physiol. Optik I. 6. Cap. Abweichungen d. wirklichen Auges vom idealen.
würde es in einem gewissen Betrage stärker myopisch sein, als wenn
es rings um die Axe so gestaltet wäre, wie in dem Meridane schwäch¬
ster Brechung. Die Differenz zwischen diesen beiden Myopiegraden
giebt offenbar das geeignetste Maass für den Grad des Astigmatismus.
Man kann diese Differenz auf verschiedene Art ermitteln. Am näch¬
sten liegt es ganz einfach optometrisch zu verfahren. Man kann ja durch
Vorsetzen eines engen Spaltes vor das Auge bewirken, dass von jedem aus
einem leuchtenden Punkt ausgehenden Strahlenbündel nur ein ebenes Bü¬
schel ins Auge gelangt, welches sich nur in einer Meridianebene oder
nahezu in einer solchen weiter fortpflanzt und mithin da punktuell ver¬
einigt wird, wo das ganze Blindei zur punktuellen Vereinigung käme,
wenn das Auge rings um die Axe so gestaltet wäre, wie in dem betref¬
fenden Meridiane. Lässt man also das Auge durch einen solchen Spalt
ein geeignetes Probeobjekt betrachten, so kann man die Sehweite für
den Meridian direkt abmessen d. h. die Entfernung, in welcher das Ob¬
jekt durch den Spalt gesehen, am deutlichsten erscheint. Das geeignetste
Probeobjekt für diese Untersuchung bildet ein System feiner schwarzer
Linien, deren Richtung zur Richtung des Spaltes senkrecht steht. An einem
solchen muss nämlich jede Undeutlichkeit am leichtesten bemerklich wer¬
den, weil die zur Wirksamkeit kommenden Büschel vor und nach ihrer punk¬
tuellen Vereinigungen den auffangenden Schirm in einer Linie schneiden die
auf der gedachten Richtung der Objektlinien senkrecht steht. Hat man nun
die Richtung der vorderen und hinteren Brennlinie für das Auge zuvor schon
ermittelt, so wird man nur diese beiden Meridiane zu prüfen haben. Man
ermittelt nämlich die Sehweiten für dieselben in der beschriebenen Art, in¬
dem man einmal den Spalt in die Meridianebene der vorderen und dann in
die Meridianebene der hinteren Brennlinie bringt. Wenn man dann die reci-
proken Werthe der beiden gefundenen Sehweiten in pariser Zollen ausge¬
drückt von einander abzieht und die Differenz in die Form eines Bruches mit
dem Zähler 1 bringt, hat man das konventionelle Maass des Astigmatismus.
Eine Prüfung nach dem vorstehenden Princip könnte auch mit einem
auf den ScHEiNER’schen Versuch gegründeten Optometer ausgeführt wer¬
den wenn man in den Okularschirm statt der üblichen beiden Schlitze
bloss zwei Löchelchen anbrächte und diesen Schirm um die Axe des In¬
strumentes drehbar einrichtete, so dass die Verbindungslinie der beiden
Löchelchen in jede beliebige Meridianebene des Auges bringen könnte.
Als Objekt müsste dabei ein einzelner leuchtender Punkt oder eine leuch¬
tende Linie angewandt werden deren Richtung jedesmal senkrecht stehen
müsste auf der Richtung der Verbindungslinie der beiden Okularlöchel¬
chen d. h. auf der Meridianebene, welche untersucht wird. Einrichtungen
dieser letzteren Art scheinen indessen bei den Augenärzten nicht in Ge¬
brauch zu sein, dagegen liefern die für ophthalmologische Zwecke arbei¬
tenden Werkstätten Bestecke zur optometrischen Bestimmung des Astig¬
matismus nach der ersten Art, die einen mit Handgriff versehenen Oku¬
larschirm enthalten. Derselbe ist in der Fassung in seiner Ebene drehbar,
so dass ein darin befindlicher schmaler Spalt bequem in jede Meridian¬
ebene des Auges gebracht werden kann. Als Probeobjekt ist ein Draht¬
gitter in einem Rähmchen mit Handgriff beigegeben, das vor einem hei-