112 Fick, Physiol. Optik I. 6. Cap. Abweichungen d. wirklichen Auges vom idealen.
Bildes ein und erhellen also mehr oder weniger das Dunkel, welches
hier herrschen sollte. Im höchsten Grade wird dies gelten für den
Strich, dessen Richtung auf der Richtung der hinteren Brennlinien
senkrecht steht. Es wäre somit die Erscheinung, dass in einer an
der Ferngrenze des Sehens betrachteten Sternfigur ein Strich am
deutlichsten und der darauf senkrechte am undeutlichsten gesehen
wird aus dem Astigmatismus des Auges befriedigend erklärt. In der Ta¬
belle S. 106 ist eine Spalte übersehrieben „Lage des Meridianes gröss¬
ter Krümmung im reducirten Augeu. Nach den vorstehenden Ausein¬
andersetzungen ist diese Ueberschrift verständlich. Es ist eben ein¬
fach derjenige Meridian, welchem die hinteren Brennlinien der im
Glaskörper des betreffenden Auges wirklich fortgepflanzten Strahlen¬
bündel parallel sind, oder der Meridian, dem man die stärkste Krüm¬
mung beizulegen hätte, wenn man dasselbe in der S. 64 angegebenen
Art auf eine einzige brechende Fläche redueirt.
Vergleicht man die in Rede stehende Spalte der Tabelle mit der
vorhergehenden, so gewahrt man, dass die hinteren Brennlinien der
im Glaskörper wirklich fortgepflanzten Strahlenbündel nicht parallel
sind dem Meridiane stärkster Krümmung der Hornhaut. Dies zeigt,
dass der Astigmatismus des Gesammtauges nicht allein abhängt von
der Abweichung der vorderen Hornhautfläche von der Kugelgestalt,
dass vielmehr auch die Linsenflächen durch Abweichung, sei es von
der Centrirung, sei es von der Kugelgestalt Einfluss darauf haben.
Durch diesen Einfluss wird natürlich einerseits die Lage der Ebene
stärkster Gesammtbreckung mitbestimmt, andererseits kann der Be¬
trag des Gesammtastigmatismus dadurch sowohl grösser als kleiner
werden, als der Betrag des Hornhautastigmatismus.
Rückt man jetzt die Sternfigur (die übrigens aus sehr feinge¬
zogenen Strichen bestehen muss) an die Nahegrenze des Sehens, so
ist bei einem regelmässig gebildeten Auge stets derjenige Strich zu¬
letzt noch deutlich zu sehen, welcher auf dem an der Ferngrenze
deutlichst gesehenen senkrecht steht. Dies ist auch von vorn herein
zu erwarten, wenigstens unter der Voraussetzung, dass die beim
Versuch stattfindende Anpassung den Astigmatismus nicht wesent¬
lich verändert. In der That wird beim Annähern des Objektes
die Undeutlichkeit dann anfangen merklich zu werden, wenn die
ganze Brennstrecke hinter der Netzhaut liegt.1 Wenn also gerade
noch die vorderen Brennlinien der Strahlenbündel mit der Netzhaut
1 Für einen Beobachter, der bei Annäherung des Objektes den ursprünglichen
Refraktionszustand aufrecht erhalten kann, ist es nicht erforderlich das Objekt bis
an die Nahegrenze des Sehens heranzurücken.