Volltext: Erster Theil: Innervation der Kreislaufsorgane (4)

422 Aubert; Innervation der Blutgefässe. 1. Cap. Die Innervation der Arterien. 
abgekühlt waren, nicht weil eine Degeneration der gefassverengenden 
und keine Degeneration der gefässerweiternden Nervenfasern einge¬ 
treten war. 
In Versuchen, welche Dastre & Morat1 an Pferden und Eseln über 
die Vasomotoren des Ischiadicus anstellten, indem sie Druck und Ge¬ 
schwindigkeit des Blutes in Arteria und Vena digitalis interna bestimmten 
und den Stamm der Plantarnerven durchschnitten bezw. reizten, ergab 
Reizung der verschiedensten Art constant anfangs eine Drueksteigerung, 
welche aber nach 15—20 Secunden wieder auf die Höhe vor der Reizung 
zurückgeht, worauf dann noch eine Senkung unter dieses Niveau ein- 
tritt. Dem entsprechend folgt der Verengerung der Arterien eine Er¬ 
weiterung und dieser eine „ surdilatation “, noch stärkere Erweiterung — 
ebenso wie die Beobachter es bei Reizung des Halssympathicus fanden. 
Merkwürdigerweise schliessen sie daraus nicht, dass im Ischiadicus ge- 
fässerweiternde Fasern enthalten seien, sondern verwerfen diese Annahme, 
indem sie nur gefässverengende Fasern annehmen, welche durch die Rei¬ 
zung ermüden sollen (une phase d’atténuation après une phase d'exaggé- 
ration de la fonction du nerf). Eine solche rasche Ermüdung hatten schon 
früher Putzeys und Tarchanoff angenommen, doch ist dieselbe von Goltz 
als ungenügend für die Erklärung der Erscheinungen erwiesen worden. 
Goltz stellte nun auf Grund seiner Beobachtungen eine Hypothese 
auf, welche viele Zustimmung fand: dass im Ischiadicus gefässerweiternde 
Nervenfasern enthalten seien, wie schon Schiff und Bernard für andere 
Bezirke angenommen hatten, konnte nicht weiter zweifelhaft sein ; ausser¬ 
dem aber postulirte Goltz wegen der Wiederherstellung der früheren Ge- 
fässweite nach Durchschneidung des Lendenmarks oder des Ischiadicus 
und der in Folge verschiedener Einwirkungen, namentlich verschiedener 
Temperaturen, wechselnden Gefässweite in dem seiner Verbindung mit 
dem Rückenmarke beraubten Gliede besondere Endvorrichtungen 
an den Gefässen, welche den Tonus derselben zu reguliren 
hätten. Diese postulirten Endvorrichtungen stellte sich Goltz, indem 
er die Analogie mit dem Herzen herbeizog, als Ganglienzellen vor, und 
sprach nun den Satz aus: die hypothetischen Ganglienzellen an 
den Gefässen sind die nächsten Centren für den Gefässtonus. Er 
legt auf diese Ganglienzellen aber keinen besonderen Nachdruck, sondern 
würde für jene selbstthätigen Endvorrichtungen, wenn keine 
Ganglienzellen gefunden würden, eine andere anatomische Grundlage wäh¬ 
len, und etwa die Gef ässmus kein selbst als solche ansprechen. Ebenso 
spricht sich Bernstein aus. Doch macht Huizinga2 gegen die Annahme, 
dass die Muskeln selbst diese Endvorrichtungen seien, geltend, dass nach 
localer Application von Amylnitrit auf die Schwimmhaut des Frosches, 
wodurch die Gefässe derselben stark erweitert werden, auf reflectorischem 
Wege eine Verengerung der auf der Höhe der Erweiterung befindlichen 
Gefässe hervorgerufen werden könne. Regulatorische Endvorrichtungen 
an den Gefässen sind von fast allen Forschern nach Goltz angenommen 
worden, sie sind als „peripherische Gefäss- oder Nervencentra“, „locale 
1 Dastre & Morat, Compt. rend. LXXXVIL p. 8S0. 1STS. 
2 Huizinga. Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 220.
	        
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