Die Extremitäten.
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rung und Gefässerweiterung nach Durchschneidung und Reizung des-
Ischiadicus die von Goltz gefundenen Thatsachen in vielen wesentlichen
Punkten bestätigt und die Bedingungen für dieselben in weiterer Aus¬
dehnung ermittelt, zum Theil aber die Angaben von Goltz etwas modi-
hcirt. Dass nach Durchschneidung des Lendenmarkes und nach Durch¬
schneidung des Ischiadicus eine Temperaturerhöhung und Gefässerweite¬
rung eintritt, welche in den folgenden Stunden und Tagen sehr zurückgehtr
ist von allen Beobachtern bestätigt worden; ebenso dass Reizung des
peripheren Stumpfes einige Tage nach der Durchschneidung des Lenden¬
markes oder des Ischiadicus eine mehr oder weniger starke Gefäss¬
erweiterung und Ansteigen der Temperatur zur Folge hat, ist allgemein
bestätigt worden; dass sowohl durch electrische Reizung, als durch
mechanische Reizung, namentlich das mehrfache Einschneiden oder „ Ker¬
ben*4 des Nervenstumpfes die Temperatur erhöht wird, ja das ein
einfaches Durchschneiden des schon vorher durchschnittenen Nerven,,
diesen Effect hat, haben die meisten späteren Beobachter bestätigt. Da¬
gegen ist von verschiedenen Beobachtern, namentlich Putzeys und Tar-
chanoff, Ostrumoff, Kendall und Luchsinger die Angabe von Goltz
bestritten worden, dass auch bei Reizung des frisch durchschnittenen
Ischiadicus am peripherischen Ende keine Gefässverengung und Tempe¬
raturabnahme erfolgte. Die Untersuchungen von Lépine, besonders aber
die von Bernstein haben ausser der Vermittelung mancher Widersprüche
die wesentliche B e d i n g u n g für die von Goltz beobachtete hoch¬
gradige Temperaturerhöhung nach Reizung des peripheren Ischiadicus
ermittelt, dass nämlich die Temperatur der Pfote beim Beginne
des Versuches eine niedrige ist. Unter dieser, leicht durch kalte
Wasserbäder herzustellenden Bedingung wird nach Bernstein durch jede
beliebige wirksame Reizung auch beim frisch durchschnittenen
Ischiadicus ein bedeutendes Steigen der Temperatur (um 8°—15°) her¬
vorgerufen, also sowohl durch tetanisirende Ströme, als durch sogenannte
rhythmische Reizungen, in denen die Inductionsschläge in Intervallen von
2 Sec. einander folgen, oder durch Kerben des peripheren Stumpfes.
Bernstein macht ferner darauf aufmerksam, dass die durch Reizung her¬
vorgerufene Temperatursteigerung sehr lange anhält und oft erst nach
15—30 Min. ihr Maximum erreicht. Der bedeutende Einfluss der Tem¬
peratur, welchen schon Goltz in seiner Bedeutung für die Gefässweite
gelähmter Glieder sehr hervorgehoben hat, geht auch aus Versuchen von
Luchsinger hervor, in denen junge Kätzchen, denen der eine Ischiadicus
durchschnitten wird, in einen auf 60° erwärmten Brütofen gebracht wer¬
den : die nicht operirte Pfote wird sehr stark injicirt, die operirte viel
weniger — kühlen die Thiere ab, so erscheint die operirte Pfote stark
injicirt, die nicht operirte blass. Der Versuch wurde mit demselben Er¬
folge schon von Schiff1 an dem Halssympathicus des Kaninchens ange¬
stellt. — Die Versuche, in denen die Reizung einige Tage nach Zer¬
störung des Lendenmarkes oder Durchschneiden des Ischiadicus vorge¬
nommen wurde, zeigen also wahrscheinlich eine Temperatursteigerung
nur deswegen, weil in Folge der motorischen Lähmung die Pfoten stark
1 Schiff, Leçons sur la physiologie de la digestion. I. S. 234. 244. 1868.