408 Aubert, Innervation der Blutgefässe. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.
— alle anderen Beobachter haben die Röthung des während der Nerven-
reizung ausfliessenden Blutes bestätigt. Dass diese Röthung des Blutes
nicht von einer besonderen chemischen Veränderung, sondern nur von
einer wegen des schnellen Hindurchfliessens unvollkommenen Desoxyda¬
tion herrührt, geht theils aus Bestimmungen des Sauerstoffgehalts der ab-
fliessenden Blutarten von Bernard1, theils aus Versuchen von Heiden¬
hain2 hervor, in denen die künstliche Respiration der curaresirten Tliiere
so vermindert wurde, dass das arterielle Biut auch dunkel wurde: dann
erschien auch das aus der Submaxillardrüsenvene bei Chordareizung aus¬
strömende Blut dunkel. — Bernard3 fand ferner die Temperatur des
während der Reizung aus der Vene ausfliessenden Blutes erhöht, wenn
er ein kleines Thermometer in die Jugularvene einführte und seine Kugel
an diejenige Stelle brachte, wo die Drüsenvene in die Jugularvene ein¬
mündet.
Da bei den Reizungen des Tympanico-lingualis die stärkere Durch¬
blutung mit der stärkeren Speichelabsonderung der Drüse coincidirt, so
entstand die F rage, ob Gefässer weite rung und Secretion in
einem direct en oder nahen Zusammenhänge stünden. Gia-
nuzzi und Ludwig4 fanden, dass nach Injection einer Lösung von Salz¬
säure oder kohlensaurem Natron in den Ausführungsgang der Submaxil-
lardrüse Reizung des Nerven Beschleunigung des Blutstromes in dem¬
selben Maasse wie vor der Injection hervorruft, die Secretion aber nicht
mehr vor sich geht. Nachdem Keuchel5 beobachtet hatte, dass nach
Vergiftung des Hundes mit Atropin die Reizung des Lingualastes keine
Secretion von Speichel mehr bewirkt, bestätigte Heidenhain6 diese That-
sache und stellte ausserdem fest, dass die BlutdurchstrÖmung in der Drüse
dieselbe ist, wie ohne Atropinisirung des Thieres, die gefasserweiternden
Fasern des Lingualis also nicht durch Atropin gelähmt werden, dass also
der Nerv Fasern führt, welche die Secretion beherrschen, und andere
Fasern, welche die Blutgefässe innerviren, also Secretionsfasern und
vasomotorische Fasern. Vulpian7 hat die Versuche Heidenhain’s
durchaus bestätigt. Diese Unterscheidung der Nerven bekräftigte Hei¬
denhain durch die Anwendung eines Giftes, welches für die Herznerven
ein Antagonist des Atropin ist, nämlich des Calabarextractes oder des
Physostigmin: dieses lähmt die vasomotorischen Fasern des Tympa¬
nico-lingualis, nicht aber die Secretionsfasern. Die Durchblutung der
Drüse wird vermindert durch Vergiftung des Thieres mit Physostigmin
und Reizung des Nerven vermag den Blutstrom bei grösseren Calabar-
dosen gar nicht zu beschleunigen. Die durch Atropin erzeugte Lähmung
der Secretionsnerven kann durch Physostigmin wieder aufgehoben werden.
Die Submaxillardrüse erhält ausserdem vasomotorische Fa-
1 Cl. Bernard, Leçons sur les Liquides de l’Organisme. 1859. Lp. 306. IL p.435.
2 R. Heidenhain, Studien d. physiol. Inst, zu Breslau. IV. S. 199. 1868. Anm.
3 Cl. Bernard, Leçons sur la chaleur animale. Uebersetzung: Cl. Bernard’s
Vorlesungen über die thierische Wärme. S. 166. 1876.
4 Gianuzzi, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1865. S. 68.
5 Keuchel, Das Atropin und die Hemmungsnerven. S. 32. Diss. Dorpat 1868.
6 Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 309. 1872 ; IX. S. 335. 1874.
7 Vulpian, Leçons sur l’appareil vasomoteur. I. p. 174. 1875.