Tetanus des Herzens?
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Contractionen begriffen, trotzdem aber treibt es keine Spur seines Inhalts
in das Manometer hinein. Eine genauere Beachtung der Herzcontraction
lässt alsbald erkennen, dass diese Erscheinung in einer peristalti¬
schen Zusammenziehung des Muskelfieisches begründet sei, die von
der Vorhofsgrenze gegen die Spitze fortschreitet.“ Und bei Besprechung
des Versuches von Schelske j, welcher bei Reizung des Vagus an dem
erwärmten Herzen den Ventrikel in wogender Zusammenziehung (Tetanus
mit Intermissionen) begriffen sah, bemerkt Cyon, es sei dabei wohl nicht
der Vagus allein, sondern das Herz selbst electriscli gereizt worden, so
dass dieser Versuch nur eine Wiederholung des WEBER’schen und Hoffa-
LüDWiG’sclien Versuches zu sein scheint. Hoffmann 2 fand Stillstand des
Herzens bei höherer Temperatur, aber die von Schelske angegebene Folge
der Tetanisirung des Vagus nicht constant.
Endlich hat Luciani 3 mit dem inzwischen weiter ausgebildeten und
vervollkommneten LuDwiG’schen Apparate einen Tetanus oder tétani¬
se h e n A.n fall des Froschherzens zu beobachten geglaubt ; indess
Kronecker und Stirling1 4 5 haben es wahrscheinlicher gemacht, dass es
sich dabei um ein durch die Versuchsanordnung bedingtes Artefact han¬
delt. Luciani fand nämlich, dass, wenn man an dem auf die Canüle des
Apparates aufgebundenen, mit Kaninchenserum gefüllten Froschherzen
eine neue Ligatur um dessen Vorhöfe legt, eine sofortige Erhebung des
Schwimmers eintritt, welcher nun anfangs sehr frequente und kleine
Pulse verzeichnet, welche unter Absinken des Druckes allmählich seltner
und grösser werden. Luciani beobachtete auch, dass dieser Tetanus
schwindet, sobald die Unterbindung gelöst wird. Kronecker erklärt das
Ansteigen der Manometerflüssigkeit durch ein Uebertreten des Herzinhaltes
aus dem durch die Ligatur verkleinerten Herzräume in das Manometer,
aus welchem die Flüssigkeit nicht sogleich entweichen kann — wird
letzteres durch eine Abänderung der Vorrichtung ermöglicht, so sinkt der
Druck sofort auf die ursprüngliche Höhe. Die vermehrte Frequenz der
Pulsationen würde aus der veränderten Füllung des Herzens zu erklären
sein — sie erhält sich nach Lösung der Umschnürung einige Zeit.
Ein den Skeletmuskeln analoger Tetanus des Herzens,
welcher gleichzeitig das Uesammtorgan erfasst, wie es
doch beim Skeletmuskel der Fall ist, scheint also bis jetzt
nicht beobachtet zu sein.
Die Zeit, welche vom Beginne der Zusammenziehung des Vorhofes
bis zu der des Ventrikels vergeht, ist von Marey 5 zu beinahe 0,2 Sek.
für das Herz des Pferdes bestimmt worden. Marey erhielt diese Be¬
stimmung, indem er einen Kautschukballon in den rechten Ventrikel,
einen zweiten in den Vorhof mittelst einer Röhre durch die Jugularvene
1 Schelske, Ueber die Veränderungen der Erregbarkeit durch die Wärme.
Heidelberg 1860.
2 Hoffmann, Beiträge zur Anatomie und Physiologie des N. vagus bei Fischen.
Giessen 1860.
3 Luigi Luciani, Leipziger Berichte 1873..S. 1.
4 Kronecker (und Stirling), Beiträge zur Anatomie und Physiologie, als Fest¬
gabe Carl Ludwig. 1874. S. CLXXIII.
5 Marey, Physiologie médicale de la circulation du sang 1863. p. 70. Fig. 8.
Handbuch der Physiologie. Bd. IV. 23