352 Aubert, Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.
nimmt, und wenn Heidenhain „in manchen Fällen den Ventrikel in eine
vollkommen stetige, tonische Contraction gerathen sah“, so steht diese
Angabe bis jetzt völlig isolirt. — Goltz hat durch plötzliche starke
Füllung des Ventrikels mit Blut eine längere Zeit dauernde Systole
des Froschventrikels erzeugt, welche er als abhängig von den venösen
Apparaten des Herzens ansieht — er lässt nämlich das Blut in eine in
die Aorta eingebundene Glasröhre fliessen, und wenn der grösste Theil
des Blutes in die Rohre geflossen ist, so treibt er durch starkes Blasen
in die Röhre, den Widerstand der Klappen überwindend, alles Blut in
den Ventrikel, welcher nun stark ausgedehnt wird; der übermässig aus¬
gedehnte Ventrikel zieht sich kräftig zusammen und bleibt zusammenge¬
zogen, während Vorhof und Sinus weiter pulsiren. Nachgewiesen
hat Goltz einen wirklichen Tetanus nicht, und es muss wohl
als wahrscheinlich angesehen werden, dass es sich hier um eine protra-
hirte Zuckung der Muskeln, hervorgebracht durch starke Zerrung der¬
selben handelt. Nach Marey 1 dauert auch die einfache Zuckung eines
gezerrten Skeletmuskels viel länger als die des normalen und anderer¬
seits kann man durch Drücken und Kneifen einer Stelle des Ventrikels
gleichfalls eine dauernde, örtliche Contraction bewirken, wie Goltz selbst
anführt. Endlich spricht der von Goltz angegebene Umstand, dass, wenn
der Ventrikel wieder zu pulsiren beginnt, derselbe auch während der
Diastole tonisch zusammengezogen bleibt und nur wenig Blut in seine
Höhle lässt, für eine Affection der Muskelsubstanz des Herzens.
Seitdem Ludwig einen Apparat construirt hat, mittelst dessen der
Druck, welchen das Froschherz auf seinen Inhalt bei Ausschluss der
Blutcirculation ausübt, aufgezeichnet wird — gewöhnlich als „Frosch¬
manometer“ bezeichnet (s. Fig. 1 und die Beschreibung dazu S. 359) —
ist von Cyon und von Luigi Luciani ein Tetanus des Herzens statuirt
worden. — Cyon'1 2 brachte das mit dem Manometer in Verbindung stehende
Herz aus einer Umgebung von 0IJ plötzlich in eine Umgebung von 40°
und sah das Herz eine Reihe von so rasch aufeinanderfolgenden Schlägen
ausführen, dass es schliesslich in einen Tetanus verfiel, welcher höchstens
15 bis 30 Sekunden andauerte. Cyon denkt sich diesen Tetanus dadurch
zu Stande kommend, dass der jedesmal folgende Reiz früher erscheint
bevor die dem vorhergehenden Reize entsprechende Zuckung abgelaufen
ist. Bei allmählicher Erwärmung des Herzens auf 40° kommt dieser
Tetanus nicht zu Stande. Die Excursionen der Herzschläge sind aber
bei dieser Temperatur und überhaupt bei Temperaturen über 30° sehr
niedrig. So hatte z. B. ein Herz bei 19° 40 Pulsationen in 1 Minute
und eine Excursionshöhe von 4 Mm., nach allmählicher Erwärmung bis
34° aber 130 Pulsationen pro 1 Min. mit einer Excursion von 0,5 Mm.
— An mehreren Stellen seiner Arbeit spricht sich Cyon über diesen
Tetanus der Art aus, dass man zweifelhaft wird, ob es sich hier um
einen allgemeinen Tetanus des Ventrikels oder um das unregelmässige
Wogen, welches schon Weber beobachtet hatte, handelt: „bei einer der
Grenzwärme nahen Temperatur sieht man das Herz noch in lebhaften
1 Marey, Du mouvement dans les fonctions de la vie 1S68. p. 363.
2 Cyon, Leipziger Berichte 1866. S. 256.