458 Aubert, Innervation der Blutgefässe. 2. Cap. Die Innervation der Venen.
II. Die Contractilität (Innervation?) der Capillaren.
Von einer Innervation der Capillargefässe zu sprechen, ist man
nach den bis jetzt vorliegenden Untersuchungen kaum berechtigt, da
ein Einfluss des Nervensystems auf den Contractionszustand derselben
bis jetzt nicht nachgewiesen ist. Anatomisch ist allerdings ein Heran¬
treten von Nerven an die Capillar Wandungen beobachtet wor¬
den, verschiedene Contractionszustände sind gleichfalls nachge¬
wiesen worden, endlich ist eine Einwirkung verschiedener
Einflüsse, der Electricität, des Sauerstoffs und der Kohlensäure
auf die Zellen der Capillarwände ermittelt worden, so dass an einer
Reizbarkeit der Capillar wand ungen nicht gezweifelt werden
kann. Eine Beziehung irgend welcher Nerven zu diesen Contrac-
tionen ist aber nicht nachgewiesen, sondern im Gegentheil keine Con¬
traction der Capillaren bei Reizung von Nerven gefunden worden.
Von Tomsa, Liepmann, Tolotschinoff, Kessel1 sind marklose Ner¬
venfasern an die Capillarwand gehend gesehen worden, ohne dass es ge¬
lungen wäre, die Nervenfaser in einen Capillarkern zu verfolgen. — Es
sind ferner von Stricker2 zuerst Beobachtungen über Contraction von
Capillaren und Wiedererweiterung derselben an Froschlarven und an der
ausgeschnittenen Nickhaut von Fröschen gemacht worden. Golubew3 be¬
obachtete, dass nach Reizung mit Inductionsschlägen die „spindelförmigen
Elemente“ der Capillarwand sich verkürzen und verdicken und sich zu¬
gleich in eine feinkörnige peripherische und eine hellere centrale Partie
difterenziren : durch diese Verdickung der Spindelelemente werde das Lu¬
men der Capillaren so verengert, dass Blutkörperchen nicht mehr passiren
könnten. Tarchanoff4 bestätigte diese Beobachtungen an mit Alkohol¬
mischung bewegungslos gemachten Froschlarven, und fand, dass durch
eleetrische Ströme die Spindelelemente sich‘verkürzen, verdicken und in
das Lumen der Capillaren hineinragen der Art, dass das Lumen beträcht¬
lich verengt und manchmal ganz aufgehoben wird, dass aber nach Auf¬
hören des Reizes die Capillaren in die frühere Form zurückgehen. Tarcha¬
noff beobachtete sogar, dass bei Verschluss vieler Capillaren eine Strom¬
verlangsamung und geringe Dilatation in den zugehörigen Arterien
eintrat. Eine Einwirkung auf die Capillaren der Schwimm¬
haut durch Reizung deslschiadicus konnte er nicht finden.
Stricker5 beobachtete starke Verengerung der gesammten C a -
pilla rwand, wenn die Froschlarven in alkoholhaltiges Wasser gebracht
1 Tomsa, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1869. S. 562. — Liepmann, Die Nerven der
organischen Muskeln. Diss. inaug. Berlin 1869. — Tolotschinoff, Arch. f. microsc.
Anat. V. S. 509. 1869. — Kessel, Strieker’s Gewebelehre. 1871. S. 854. Fig. 284.
2 Stricker, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LI. (2) S. 16. 1865; LII. (2) S. 379. 1866.
3 Golubew, Arch. f. microsc. Anat. V, S. 49. 1869.
4 Tarchanoff, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 407. 1874.
5 Stricker, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXIV. (3) S. 313. 1876.