452 Aubert, Innervation der Blutgefässe. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.
von Bezold1 die ScHiFF’schen Versuche wiederholt. Schiff und von Be-
zold machten die Markdurchschneidungen in der Gegend des Calamus
scriptorius und Schiff fand eine Temperaturerhöhung auf derjenigen Kör¬
perhälfte des Thieres, auf welcher die Durchschneidung ausgeführt war,
aber nur am Kopf, an den Ohren, dem Vorderarm und Unterschenkel,
an den Vorder- und Hinterfüssen und an den Zehen — während Rumpf,
Schultern, Oberarm und Oberschenkel ein wenig kälter auf der Seite der
Verletzung, als auf der entgegengesetzten Seite waren. Schiff schliesst
daraus auf eine gekreuzte Leitung im Rückenmarke für die zuletzt ge¬
nannten Theile, an welchen übrigens die Temperaturdifferenzen erheblich
geringer gefunden wurden, als an den übrigen Körpertheilen. An den
Theilen mit gekreuzter Wirkung erhielt sich die Temperaturdifferenz
wochenlang, bis zum Tode des Thieres, während an den Theilen mit
gleichseitiger Wirkung die Differenz in den nächsten Tagen und Wochen
nach der Operation etwa um ein Drittheil abnahm. Ferner fand Schiff
den Puls in den Gliedern der der Operation entsprechenden Seite bei
weitem grösser, voller und stärker fühlbar, als auf der andern Seite.
Analoge Temperaturverhältnisse hat auch von Bezold in seinen Ver¬
suchen gefunden. Während nun Schiff das Verhalten der Temperaturen
„unerwartet und merkwürdig“ findet, und eine gekreuzte Wirkung, be¬
ziehungsweise Leitung im Rückenmark annimmt, kann sich von Bezold
zu dieser Annahme nicht entschliessen, sondern glaubt die verminderte
Temperatur in dem Rumpfe, Oberarm, Oberschenkel von der musculo-
motorischen Lähmung ableiten zu können, da die relative Temperatur¬
verminderung sich an denjenigen Theilen zeige, welche mit grossen Mus¬
kelmassen versehen sind. — Auf diese Weise kommen beide Forscher
trotz gleicher Versuchsresultate zu entgegengesetzten Schlüssen, indem
Schiff einen theilweise gekreuzten Verlauf der vasomotorischen Fasern
im Rückenmarke, den experimentellen Befunden entsprechend, annimmt,
von Bezold die Annahme eines gekreuzten Verlaufes vermeiden zu können
glaubt. — Vulpian stellt, ohne nähere Angaben zu machen, die von Schiff
gefundenen und von von Bezold bestätigten Thatsachen in Abrede ; er
giebt ausserdem an, dass beim Frosche nach Durchschneidung der einen
Rückenmarkshälfte die Hautgefässe des Beines derselben Seite stärker
entwickelt seien.
YI. Die rhythmischen Bewegungen der Arterien.
Au verschiedenen Stellen des Körpers wird ein Wechsel in der
Weite der Arterien beobachtet, welcher unabhängig von Herzthätig-
keit und Athmung mit einer gewissen Regelmässigkeit stattfindet, so
dass eine Zeit lang die Gefässe verengert sind, dann eine Erwei¬
terung eintritt, welche eine gewisse Zeit andauert. Dieser Wechsel
ist als Rhythmik oder rhythmische Bewegung der Arterien
bezeichnet worden. Er findet mit einer gewissen, aber in weiten
1 A. von Bezold, Ztschr. f. wissensch. Zoologie. IX. S. 307. 1858.