Die rhythmischen Bewegungen des Herzens.
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die Systole trotzdem als eine einfache Muskelzuckung auf, weil die Form
der Herzcurve und der Muskelzuckungscurve dieselben wesentlichen Eigen-
thümlichkeiten des Ansteigens, des Gipfels, des Abfallens darbieten. Wie
zuerst Kölliker & H. Müller 4, später Marey nachwiesen, findet an dem
an das Herz angelegten Ischiadicus des stromprüfenden Froschschenkels
nur eine einfache secundäre Zuckung, keine tetanische Contraction statt.
Cyon macht geltend, dass ein momentaner electrischer Reiz eine ebenso
beschaffene Systole hervorruft, wie die durch den normalen inneren Reiz
hervorgerufene, wenn das Herz sich in gewöhnlicher Temperatur befindet,
dass dagegen dauernde Reizung eines in der Wärme stillstehenden Frosch¬
herzens einen Tetanus hervorbringt. Auch Marchand schliesst auf Grund
seiner Versuche, in denen er die electromotorischen Schwankungen des
Herzens während der Systole benutzte, um den Verlauf der Contractions-
welle zu ermitteln, dass die Systole eine einfache, aber allerdings sehr
verlängerte Zuckung ist, sich der Bewegungsart der glatten Muskeln an¬
nähernd. *
Wenn also die Systole eine einfache Zuckung der Herzmuskeln
ist, so erhebt sich die Frage, ob es beim Herzen einen den Skelet-
muskeln analogen Tetanus giebt? und weiter, unter welcher Form
wir einen Herztetanus zu erwarten haben? Versteht man mit Weber,
Dubois-Reymond, Helmholtz unter Tetanus eine dauernde Contrac¬
tion des Muskels, welche sich aus einer Reihe so schnell auf ein¬
ander folgender einfacher Zuckungen zusammensetzt, dass jede vor¬
hergehende beim Eintritt der folgenden noch nicht erheblich nach¬
gelassen hat2, so muss das Herz eine dauernde Zusammenziehung,
welche sich aus discontinuirlicken Systolen zusammengesetzt ergiebt,
zeigen.
Es sind verschiedene Erscheinungen am Herzen, namentlich am Her¬
zen des Frosches als Herztetanus angesprochen worden: eine partielle
andauernde Zusammenziehung wurde bei Reizung des Froschherzens mit
starken electromagnetischen Wechselströmen in der nächsten Umgebung
der Electroden schon von Eduard Weber 3 bemerkt und dasselbe sahen
auch Ludwig & Hoffa 4, aber diese Forscher heben hervor, dass auch
durch die kräftigsten eleetrischen Reize das Herz nicht in allgemeinen
Tetanus gesetzt werden könne, dass vielmehr nur ein Wirrwarr von
raschen, unregelmässigen Bewegungen mit gleichzeitiger Vergrösserung
und starker Füllung des Herzens mit Blut eintrete. Wenn Heidenhain5
diese Bewegungen „als einen tumultuarischen Tetanus“ bezeichnet, so ist
damit durchaus kein wirklicher Tetanus nachgewiesen, wie Goltz6 an-
1 Kölliker & Müller, Würzburger Verhandl. VI. S. 528. 1856.
2 Helmholtz, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1850. S. 276.
3 Ed. Weber, Art. „Muskelbewegung“ in Wagner’s Handwörterb. d. Physiol.
III. 2. S. 36. 1846.
4 Ludwig & Hoffa, Ztschr. f. rat. Med. IX. S. 107. 1850.
5 Heidenhain , Arch. f. Anat. u. Physiol. 1858. S. 479.
6 Goltz, Arch. f. pathol. Anat. XXÎII. S. 493. 1861.