Einwirkung der Blutgase auf das vasomotorische Centrum.
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vorgehoben hatte, stellte er später mit Einbrodt1 Versuche über den
Einfluss des vermehrten, verminderten und des unveränderten Respira¬
tionsdruckes auf den Blutdruck an. Es ergab sich bei diesen Beobach¬
tungen, dass der Blutdruck nicht während der ganzen Dauer der Ex¬
spiration zunimmt, und die Inspiration den Mittelwerth des Blutdruckes
nicht herabsetzt, dass vielmehr die Erhöhung des Blutdruckes nur im
Beginne der Exspiration stattfindet, im weiteren Verlaufe derselben aber
eine Abnahme erfährt und im Verlaufe der Inspiration steigt, also nicht
von dem Luftdrucke in der Lunge und im Thorax, sondern von Nerven-
einfliissen abhängig ist.
Traube2 fand dann, dass bei curaresirten Hunden, deren Vagi durch¬
schnitten waren, der Druck im Aortensysteme während der Einblasungen
(bei künstlicher Respiration) um ein weniges steigt, unmittelbar nach der
Einblasung aber schnell und beträchtlich sinkt und hierauf wieder all¬
mählich in die Höhe geht, dass bei diesen respiratorischen Elevationen
aber die'Herzfrequenz sich ganz gleich bleibt — er fand ferner, dass
das Aufhören der Einblasungen stets ein Steigen des mittleren Blutdruckes,
die Vermehrung der Zahl der Einblasungen ein Sinken, ihre Verminde-
rung ein Steigen des Druckes zur Folge hat. Traube3 führte ferner den
Nachweis, dass die Kohlensäure des Blutes der natürliche Erreger der
respiratorischen und der Herznervencentren sei — indess war es Thiry4
unter Ludwig’s Führung Vorbehalten, den Nachweis des vasomotorischen
Einflusses der Athmung zu geben, indem er die starke Contraction aller
kleinen Arterien bei starker Schwellung des blosgelegten Herzens beob¬
achtete, wenn die Athmung unterbrochen wurde, wenn Wasserstoff oder
ein irrespirables Gas geathmet wurde, ganz besonders aber bei Athmung
eines Gemenges von 4/3 Kohlensäure und 2 3 Sauerstoff.
Thiry wies also als die Ursache der von Traube beobachteten Stei¬
gerung des arteriellen Druckes die Zusammenziehung der kleinen Arte¬
rien (und die Schwellung des Herzens) nach, welche, wie sich weiter
aus Ludwig und Thiry’s5 Untersuchungen ergab, abhängig war von der
Erregung des vasomotorischen Centrums der Medulla oblongata. Bald
darauf bestätigte Traube6 die LuDwiG-THiRv’schen Beobachtungen und
stellte die Sätze auf: 1. dass die Suspension der Athmung bei curare¬
sirten Thieren, denen das Rückenmark zwischen 1. und 2. Halswirbel
zerquetscht und denen die Vagi durchschnitten sind, den Blutdruck nur
wenig oder gar nicht steigert; 2. dass die grossen periodischen Schwan¬
kungen, welche man ohne Rückenmarkszerstörung beobachtet, dann nicht
auftreten; 3. dass das in der Medulla oblongata befindliche Centrum des
vasomotorischen Nervensystems unter dem Einfluss der Blutkohlensäure
in eine periodische Thätigkeit gerathen und in rhythmischer Weise Con¬
traction und Erschlaffung der Körperarterien hervorzurufen vermag.
1 Einbrodt, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XL. S. 361. 1860.
2 L. Traube, Allgem. med. Centralztg. 1862. No. 25; Ges. Beitr. z. Pathol. u.
Physiol. I. S. 310. 1871.
3 Derselbe, Allgem. med. Centralztg. 1863. Nr. 97 11. 98; Beitr. I. S. 321.
4 Thiry (und Ludwig), Centralbl. f. d. med. Wiss. 1864. S. 722.
5 Ludwig u. Thiry. Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLIX. S. 421. 1S64.
6 L. Traube. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1865. S. 881.