350 Aubert, Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.
des Vorliofes bei verschiedenen Thieren und des Ventrikels beim Frosche,
durch die grosse Härte des systolischen Ventrikels, hat eine exacte Be¬
stätigung gefunden durch die Versuche von Bowditch und seiner Nach¬
folger in Ludvig’s Laboratorium K Bowditch fand, wenn er den für sich
bewegungslosen Froschventrikel durch Inductionsströme von minimaler
Stärke bis zu erheblicher Stärke reizte, dass die Zuckung entweder
maximal war oder gar nicht stattfand, dass sie keineswegs mit der In¬
tensität des Stromes an Umfang zunahm; die Zuckungsgrösse ändert sich
allerdings mit der Leistungsfähigkeit der Herzmuskulatur, aber
jeder Strom löst nur die durch die Umstände gegebene umfangsreichste
Zuckung oder gar keine Zuckung aus. Die Formveränderung und die
gleichmässige Härte des Herzens in der Systole fordern ferner die An¬
nahme, dass sich gleichzeitig sämmtliche Fasern des Vorhofes oder des
Ventrikels zusammenziehen.
Die Frage, ob der Ventrikel von der Basis nach der Spitze hin sich
zusammenzieht, oder ob die gesammte Muskulatur des Ventrikels sich
gleichzeitig zusammenzieht, ist seit langer Zeit ventilirt worden1 2 5; die
Versuche, welche in neuester Zeit darüber von Marchand 3 angestellt
worden sind, ergeben, dass die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Con-
tractionswelle grösser als 100 Mm. in 1 Sekunde sein muss, alle Fasern
also fast gleichzeitig die Contraction beginnen.
An die Untersuchung über die Dauer einer Systole schliesst sich die
wichtige Frage, ob die Systole eine einfache Zuckung oder eine Contrac¬
tion sei? Die Dauer einer Systole ist beim Menschen von Landois 4 für
den Vorhof zu 0,17 Sekunde, für den Ventrikel zu 0,26" bestimmt wor¬
den, wenn 60 Pulsationen in der Minute waren. Marey 5 hatte für die
Vorhofscontraction ungefähr 0,1", für die Ventrikelcontraction (von An¬
fang bis zum Ende der Systole) 0,4" gefunden. Für das Froschherz
beträgt nach Marchand die Curve für die Ventrikelcontraction vom Be¬
ginn der Zusammenziehung bis zur Erschlaffung 2—3 Sekunden, wovon
die kleinere Zeithälfte auf das Ansteigen der Curve bis zum Gipfel fällt,
es würde also für die Contraction bis zum Maximum etwa l Sekunde zu
rechnen sein. Dass diese Zeit durch die Temperatur des Ventrikels sehr
bedeutend verändert wird, hat schon Cyon6 ermittelt; er giebt aber keine
Zahlen an. — Immerhin ist die Dauer einer s y s t o 1 i s c h e n Muskel¬
zusammenziehung erheblich (10mal) länger als die Dauer
einer Skeletmuskelzuckung, wenn der Nerv electrisch gereizt wird.
Bei der anatomischen Verschiedenheit des Herzmuskels von den Ske¬
letmuskeln kann aber die längere Dauer nicht beweisend dafür sein, dass
die Systole nicht als eine einfache Zuckung anzusehen sei. Marey7 fasst
1 Bowditch, Leipziger Berichte 1871. S. 652. — Luigi Luciani, Ebenda 1873.
S. 11.
2 Kürschner, Art. ,.Herzthätigkeit" in Wagner’s Handwörterb. d. Physiol. II.
S. 35. 1844.
3 Marchand. Arch f. d. ges. Physiol. XV. S. 51 1. 1877.
4 Landois, Centralbl. f. d.med. Wiss. 1866. S. 177 und Die Lehre vom Arterien¬
puls 1872. S. 307.
5 Marey, Circulation du sang 1863. p. 72.
6 Cyon, Leipziger Berichte 1866. S. 256.
7 Marey, Journ. d’anat. et de physiol. 1866. p. 403.