326 Rollett, Physiol, d. Blutbewegung. 6. Cap. Blutbeweg, in d. Capillargefässen.
Meiner wird. In einem vorübergehenden Stadium hängen dann zwei
gleiche Hälften des Blutkörperchens mittelst eines engen, in der Wand
steckenden Halses zusammen. Dann kehrt sich das Verhältniss der
Grösse des herausgetretenen und des noch im Innern des Gefässes
befindlichen Theiles um. Der letztere reducirt sich auf ein kleines
Knöspchen, bis auch dieses verschwindet und bald die ganze Masse
des Körperchens ausserhalb des Gefässes angelangt ist. Während
sich dieses Auswandern vollzieht, kann man sowohl an dem nach
aussen gelangten Theile als auch an dem noch im Gefässe befind¬
lichen Theile des Blutkörperchens das Austreiben und Wiederein¬
ziehen von Fortsätzen beobachten. Das letztere besonders bei ver¬
langsamtem Blutstrome.
Nach dem Vorgänge Stricker’s1 2 bezeichnet man diesen Durch¬
tritt der Blutkörperchen durch die unverletzte lebende Gefässwand
als Diapedesis. Ein Ausdruck, der schon bei älteren Aerzten ge¬
bräuchlich war, wegen der Vorstellung, welche sich dieselben über
die Natur gewisser Blutungen machten.
Zu einer massenhaften Auswanderung weisser Blutkörperchen kommt
es bei der Entzündung und wurde gerade dieser Vorgang zuerst von
Waller 2 beschrieben aber von anderer Seite wenig beachtet, bis Cohn¬
heim3 denselben wieder beobachtete und als die Ursache der eitrigen In¬
filtration der Gewmbe bei der Entzündung darstellte. Schon etwms früher
hatte aber Stricker4 in die Gefässvmnd eingeklemmte und schliesslich
durch dieselbe nach aussen geschlüpfte rotlie Blutkörperchen beobachtet.
Diesen Austritt rother Blutkörperchen sah dann Prussak5 nach Einspritzen
einer 10%igen Lösung von CIS a in die Lymphsäcke beim Frosch sehr
reichlich auftrete n.
Hering6 beobachtete zuerst die Auswanderung der weissen Blut¬
körperchen unter normalen Verhältnissen und sah dieselben in die
Lymphgefässe überwandern, was von Heller7, Thoma8 u. A. bestätigt
wurde.
Der Austritt rother Blutkörperchen ist unter normalen Verhältnissen
sehr selten, wird aber ausser nach dem schon erwähnten Einflüsse reich¬
licher bei der Entzündung, namentlich aber bei venöser Stauung beob¬
achtet (Cohnheim9, Arnold10).
1 Stricker, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. LII. (2) S. 379. 1866.
2 Waller, Philos. Magaz. XXIX. S. 271. 397. 1846.
3 Cohnheim, Arch. f. path. Anat. XL. S. 1. 1867.
4 Stricker a. a. 0.
5 Prussak, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. LVI. (2) S. 13. 1867.
6 Hering, Ebenda. S. 691.
7 Heller, Unters, üb. d. feineren Vorgänge, bei d. Entzünd, etc. Erlangen 1869.
S Thoma, Die Ueberwand. farbl. Blutkörper von dem Blut in das Lymphgefäss-
system. Heidelberg 1873.
9 Cohnheim, Arch. f. pathol. Anat. XLI. S. 224. 1867.
10 Arnold, Ebenda. LVHI. S. 203. 1873.