Volltext: Erster Theil: Blut und Blutbewegung (4)

Objecte für die Beobachtung; Entoptische Sichtbarkeit des Blutlaufes. 311 
subjective Gesichtserscheinungen zu beziehen. Die physiologisch¬ 
optische Theorie derselben liegt aber noch sehr im Argen. 
Eine strömende Bewegung begrenzter Flecken in anastomosirenden 
Bahnen sah Meissner1, indem er mit dem auf grosse Nähe accommodirten 
Auge durch eine feine Oeffnung auf die helle Glocke einer Lampe starrte, 
oder wenn er das Auge vorher drückte und dann unverwandt auf eine 
möglichst helle Fläche sah. 
Am bestimmtesten hat Vierordt2 die Wahrnehmung des Blutlaufes 
in der Netzhaut des eigenen Auges beschrieben. Um ihn sichtbar zu 
machen, bedient er sich hellen intermittirenden Lichtes, am einfachsten 
in der Weise, dass er zwischen Auge und beleuchtetem Milchglas einer 
Lampe die ausgespreizten Finger etwa 100 mal in der Minute hin und 
her bewegt. 
Später gab Rood3 als ein vortreffliches Mittel zur Hervorrufung der 
Erscheinung das Sehen nach dem Himmel durch ein dunkelblaues Glas 
oder mehrere übereinander gelegte Cobaltgläser an. Nach der letzteren 
Methode verfolgte sie auch Helmholtz4, der früher schon darauf aufmerk¬ 
sam machte5, dass der Durchmesser der Blutkörperchen (0.0072 im Mittel) 
eben noch gross genug ist, um, wenn sie sich in der Netzhaut befinden, 
auf diese einen Eindruck zu machen, da die Grösse der kleinsten er¬ 
kennbaren Distanz 0.005 Mm. beträgt. 
Vierordt, der bei Projection der Erscheinung auf das 11—16 Cm. 
entfernte Milchglas der Lampe ein Blutkörperchen oft 20—30 Mm. 
bc 
weit verfolgen konnte, berechnete nach der Formel — = x, in 
welcher a Abstand des Milchglases vom vorderen, b Abstand der 
Retina vom hinteren Knotenpuncte, c den auf dem Milchglase durch¬ 
laufenen Weg bedeutet, den Weg auf der Retina und aus diesem 
und der Zeit die Geschwindigkeit der Bewegung. Er fand bei seinen 
ersten Versuchen 0.51—0.52 Mm. in der Secunde. Bei späteren Ver¬ 
suchen im Mittel 0.75 Mm. in der Secunde (Minimum 0.6 — Maximum 
0.9), was, wie wir sehen werden, mit der auf anderem Wege er¬ 
mittelten Geschwindigkeit des capillaren Blutlaufes ungefähr über¬ 
einstimmt. 
III. Anordnung der Capillaren. 
Die Anordnung der Capillaren in den einzelnen Geweben und 
Organen ist eine sehr verschiedene. Im Allgemeinen ist zu bemerken, 
1 Meissner, Beitr. z. Physiol, d. Sehorganes. S. 84. Leipzig 1854. 
2 C. Vierordt, Arch. f. physiol. Heilk. 1856. S. 255.572. Die Erscheinungen u. 
Gesetze d. Stromgeschwindigkeiten des Blutes. S. 41. 111. Frankfurt a. M. 1858. Vgl. 
auch Laiblin, Wahrnehmung d. Chorioidealgefässe im eigenen Auge. Tübingen 1856. 
3 Rood, Amer, journ. of scienc. and arts. XXX. p. 264. 1860. 
4 Helmholtz, Handb. d. physiol. Optik. S. 837. Leipzig 1867. 
5 a. a. O. S. 424.
	        
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