268 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.
Landois als Klappenschlusselevation bezeichnet worden. Die nach 1
folgenden kleineren secundären Hebungen sind nach Landois als Ela-
sticitätselevationen oder eine darunter (Fig. 31 77, 32 B) als zweite
Rückstosselevation; nach Moens als Schliessungsgipfel höherer Ord¬
nung zu bezeichnen.
Die Erklärung der secundären Hebungen der Pulscurve bietet
grosse Schwierigkeiten dar.
Man musste wohl dabei zunächst an reflectirte oder durch mehrfache
Reflexion hin- und hergehende Wellen denken. Die Analyse der Form
der Pulswelle an einem gegebenen Orte hätte sich dann auf die Fort¬
pflanzungsgeschwindigkeit der Pulswelle in den Arterien, die, wie wir
gesehen haben, vom Centrum gegen die Peripherie und in den einzelnen
Zweigströmen des arteriellen Systèmes wechselt; auf die Entfernung des
Erregungsortes von dem Reflexionsorte und beider Orte von dem augen¬
blicklich untersuchten Orte zu stützen, eine Aufgabe, der sich, wie man
leicht einsieht, im arteriellen Systeme die grössten Schwierigkeiten ent¬
gegenstellen müssen. Nichtsdestoweniger war man zunächst für den Gipfel /
jene Yermulhung zu vertheidigen bemüht (Marey1, Rive'2, Onimüs & Viry3),
und zwar sollte die Reflexion vom peripherischen Ende der Arterien her
stattfinden, dem sich die engen Abflusswege der Capillaren fast wie ein
Verschluss vorlegen sollten, wodurch, ähnlich wie am geschlossenen Ende
eines Kautschukschlauches, die primäre Welle reflectirt werden sollte
(Marey); oder die Reflexion sollte stattfinden an den Spornen4, die an
den zahlreichen Theilungswinkeln gegen den Strom vorragen, und an den
Blutkörperchen, welche sich in den Capillaren stauen, weil ihr Durch¬
messer die Weite der Capillaren übertrifft (Onimüs und Yiry); oder man
nahm an, dass von den an verschiedenen Orten des Capillarsystemes un¬
gleichzeitig reflectirten Wellen, die für sich nicht wahrnehmbar seien,
viele in einem bestimmten Zeitmoment zugleich an die Semilunarklappen
gelangen und von denselben gleichzeitig zurückprallend den dicroten Puls¬
gipfel bilden (Rive).
Gegen diese Reflexionstheorien erinnert Moens5, dass die grosse An¬
zahl der Capillaren einen breiten offenen Querschnitt der Gefässbahn vor¬
stellt und dass eine Summirung der an den Spornen ungleichweit vom
Aortenanfang entfernter Theilungswinkel stattfindenden Reflexionen und
eine Reflexion an den Blutkörperchen durch keine Erfahrung bewiesen
und höchst unwahrscheinlich sei.
Verschieden von den auf periphere Reflexion zurückführenden Er¬
klärungsversuchen sind jene, welche die dicrote Hebung herleiten wollen
von dem Druck, welchen nach Aufhören der Systole der Ventrikel die
gespannten Arterienwände auf die in den Arterien enthaltene Blutmasse
ausüben. Dieser Druck mache, dass ein Theil des Blutes gegen die Semi-
1 Marey, Physiol, méd. d. 1. cire. p. 266. Paris 1863.
2 Rive. De sphygmograph en de sphygm. Curve. Utrecht 1866.
3 Onimüs et Viry, Journ. de l’anat. et de la physiol. 1866. p. 71 u. 148.
4 Epérons. Das deutsche Wort für denselben Begriff ist bei Brückenjochen
und Flusstheilungen an vielen Orten ganz gebräuchlich und darum nicht noth-
wendig, wie Meissner (Jahresber. 1866. S. 434.) und Moens (a. a. 0.) thun, sich des
französischen Wortes zu bedienen. 5 Moens a. a. 0.