Aenderung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit; Pulsfrequenz.
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nimmt, weil der Querschnitt also die Masse, auf welche die Be¬
schleunigung sich vertheilt, fortwährend zunimmt und weil durch
innere Reibung der Flüssigkeitstheilchen in der Welle selbst die
übertragbare Kraft immer kleiner wird. Die Grenze, wo die Welle
unmerklich wird, liegt bald näher, bald entfernter vom Herzen. Wir
kommen darauf noch zurück.
2. Die Pulsqualitäten als Ergebniss des Pulsfühlens.
Es ist allgemein bekannt, dass der Puls mittelst des über den
Arterien aufgelegten Fingers wahrgenommen werden kann. Der auf¬
gelegte Finger nimmt nicht blos die Anzahl der in einer bestimmten
Zeit erfolgenden Pulsschläge wahr, sondern man bemerkt auch an
jedem einzelnen Pulsschlage und an der pulsirenden Arterie gewisse
Eigenthiimlichkeiten, die im gegebenen Falle sich von den zu an¬
deren Zeiten wahrgenommenen sehr wesentlich unterscheiden.
Dass solche Unterschiede existiren, war schon im Alterthum be¬
kannt (Herophilus, Archig-enes) und sind im Laufe der Zeiten eine
grosse Zahl von Pulsbenennungen entstanden, mit welchen die er¬
wähnten Eigenthiimlichkeiten oder Pulsqualitäten bezeichnet werden
sollten. Alle diese Pulsqualitäten lassen sich aber auf vier Grund¬
qualitäten zurückführen; diese sind: die Frequenz, die Grösse, die
Schnelligkeit und die Härte des Pulses1.
1. In Bezug auf die Frequenz des Pulses unterscheidet man
einen häufigen (Pulsus frequens) und seltenen Puls (Pulsus rarus).
Der erstere bezeichnet einen Puls, der öfter in der Zeiteinheit, der
letztere einen, der weniger oft in der Zeiteinheit erscheint. Die Fre¬
quenz des Pulses ist ein Ausdruck für die Anzahl der in der Zeit¬
einheit erfolgenden Herzcontractionen.
Die mittlere Pulsfrequenz eines gesunden erwachsenen Menschen
von mittlerem Lebensalter wird auf Grund zahlreicher vorliegender
Zählungen zu 72 Schlägen in der Minute angenommen (Vierordt2).
Sie kann sich aber im einzelnen Falle nach unten oder nach oben
von jener Mittelzahl entfernen. Die Pulsfrequenz ist abhängig vom
Lebensalter. Sie ist im Kindesalter am grössten, sinkt dann bis zum
20. Lebensalter, um zwischen 20—24 Jahren ihr Minimum zu er¬
reichen. Von da an steigt sie wieder allmählich bis zum 55. Jahre
1 Vgl. Burdon-Sanderson, Handbook of the sphygmograph. p. 13. London 1867.
— Laxdois, Die Lehre vom Arterienpuls. S. 204. Berlin 1872. — Brücke, Yorles. üb.
Physiol. 2. Aufl. S. 152. Wien 1875.
2 Vierordt, Lehre vom Arterienpuls. S. 59. Braunschweig 1855.