226 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.
Fasern, Fasernetze und Platten. Die Elasticität der Arterien er¬
bringt, da die Thätigkeit des Herzens periodisch erfolgt und sich
dem Abfluss des Blutes aus den Arterien der grosse Widerstand der
Capillaren entgegensetzt, für die Fortbewegung des Blutes jene Lei¬
stung, welche früher (S. 212) für die Wand eines elastischen Schlau¬
ches unter ähnlichen Bedingungen festgestellt wurde.
E. H. Weber1 hat darum die elastische Wand der Arterien mit der
im Windkessel der Feuerspritzen befindlichen Luft verglichen. Hier wie
dort werde beim Drucke eines Pumpwerkes nicht nur Flüssigkeit vor¬
wärts getrieben, sondern auch ein elastischer Körper gespannt, welcher
auf die Flüssigkeit zu drücken und sie auszutreiben fortfährt, während
das Pumpwerk selbst nicht drückt.
Das zweite wichtige Gewebe, welches in der Arterienwand vor¬
kommt, ist das Muskelgewebe. Es wird aus glatten Muskelfasern
(Muskelzellen) gebildet. In den grossen und mittleren Arterien kom¬
men quer und längs laufende Muskeln (Ebner2, Eberth3, Barde¬
leben4), in den kleinen und kleinsten ringförmig angeordnete Mus¬
keln vor. Die Mächtigkeit der elastischen und muskulösen Elemente
ist immer correspondirend (Bardeleben). In vielen mittleren Arte¬
rien kommen Muskeln auch in der Adventitia vor (Remak5, Barde¬
leben). Die Zusammenordnung von Muskel, elastischen und Binde¬
gewebsfasern ist sehr wechselnd, nicht nach dem Kaliber, wie man
annahm, sondern nach der physiologischen Bedeutung der Arterien
(Bardeleben). Der letztere hat einiges auf die topographische Histo¬
logie der Arterien bezügliches Materiale mitgetheilt.
Die Bedeutung der Muskeln der Arterien ist eine mehrfache.
Auf die Bewegung des Blutes könnten sie nur dann einen Einfluss
gewinnen, wenn sie sich rasch und in kurzen Perioden regelmässig zu-
sammenziehen würden, das ist aber erfahrungsgemäss nur local und
ausnahmsweise der Fall. Gewöhnlich sind ihre Contractionen tonisch,
und darauf beruht ihre Bedeutung vorzugsweise. Sie sind dadurch im
Stande, eine von den elastischen Eigenschaften der Wand und dem
Druck des Inhaltes und der Umgebung der Arterie bis zu einem ge¬
wissen Grade unabhängige Veränderung des Lumens der Arterie zu
bedingen und wirken so bestimmend auf den Rauminhalt des arte¬
riellen Systèmes. Sie bewahren ferner die elastischen Elemente vor
1 E. H. Weber, Observ. anatom, et physiol. Prol. I. Lipsiae 1827 ; Hildebrandt’s
Anat. III. S. 70. Braunschweig 1831.
2 Ebner a. a. 0.
3 Eberth, Strieker’s Gewebelehre. I. S. 196. Leipzig 1871.
4 Bardeleben, Sitzgsber. d. Jena’schen Ges. f. Med. u. Naturk. 1878. 10. Mai.
5 Remak, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1850. S. 89 u. fg.