Deutung des Cardiogrammes durch Marey, Baxt, Landois, Rosenstein. 193
der Pulmonalarterie. Die Klappenschlusszacken fallen aber nicht im¬
mer auseinander, sondern es tritt häufig nur eine Klappenschlusszacke
auf und zwar soll das eine oder andere nach Landois abhängen von der
Differenz des Druckes in Aorta und Pulmonalarterie, mit deren Grösse
die Entfernung der Zacken zunehmen soll. / entspricht dem Beginn
der Herzpause. Landois’ Entzifferung des Cardiogrammes ist ebenso
wie jene Marey’s eine blosse Conjectur. Landois selbst hat nirgends
eine Begründung seiner Deutung des Cardiogrammes veröffentlicht.1
Man kann zu Gunsten derselben nur anführen, dass in dieselbe die
in Marey’s Deutung am Besten begründete Vorhofselevation aufge¬
nommen ist und dass die durch Ausmessung des Cardiogrammes für
bed ermittelte Zeit (zwischen Beginn des 1. Herztones und dem 2. Herz¬
ton) 0.309—346 Secunden beträgt, was mit den bei der Auscultation
von Donders und Landois selbst für dieses Intervall gefundenen
Werthen 0.301 — 0.327 (Donders), 0.307—0.311 (Landois) nahe über¬
einstimmt (vgl. oben S. 156 u. 157). Der Deutung des Cardiogrammes
nach Landois haben sich Ott & Haas2 und besonders in Bezug auf
die Klappenschlusszacke Maurer3 angeschlossen.
Am wenigsten glücklich in der Auslegung des Cardiogrammes scheint
uns Rosenstein4 5 gewesen zu sein. Er will immer die vier Zacken «,
(i, y, à P ig. 9 E beobachtet haben, « und ß seien der Ausdruck einer
absatzweisen Systole, y und d Klappenschlusszacken. Rosenstein stützt
sich darauf, dass nach Unterbindung der Aorta und Pulmonalarterie die
Systole nicht absatzweise erfolgt, dann fehle auch der zweifache Gipfel
des Cardiogrammes ; weitere Beweise seien pathologische Fälle. Der er-
stere Beweis Rosenstein s ist offenbar ein Cirkel. Wir können weder
den einen noch anderen Beweis als zwingend für die absatzweise Systole
im normalen Zustande ansehen. Bei Traube kann man aber für Rosen¬
stein, der sich auf jenen beruft, nur scheinbar eine Stütze finden. Traube’s
Cardiogramme stimmen zu allermeist, abgesehen von der Grösse, mit jenen
Landois1 überein; ferner hegte Traube'1 nur die Vermuthung, dass der Di-
und Tricrotismus der Pulscurve (siehe diese unten) der Ausdruck einer
l Landois, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1866. S. 177; Lehre vom Arterienpuls
S. 304. 1872 ; Graph. Unters, üb. d. Herzschlag. S. 48. 1876; Lehrb. d. Physiol, d. Men¬
schen. S. 90; Wien 1879.. In der ersten Publication heisst es: „Auf die nähere Be¬
gründung dieser Uebereinstimmung“ (der erwähnten Curvenpunkte mit den von Lan¬
dois dafür angegeb. Phasen der Herzaction) „kann hier nicht näher eingegangen wer¬
den.“ In der zweiten Publication ist nur der Inhalt der vorläufigen Mittheilun^
reproducirt und auf jene verwiesen. In der dritten Publikation heisst es : „Weiterhin
habe ich die sphygmographische Herzstosscurve des Menschen einer genauen Ent¬
zifferung unterworfen“ und ist wieder nur die vorläufige Mittheilung citirt. Im
Lehrbuche wird von der erwähnten Deutung des Cardiogrammes nur wie von
einer feststehenden und bewiesenen Sache gesprochen.
7 ( ) T1 TH n ï T A A C 9 Q ()
3 Maurer, Arch.’ f.’klin. Med. XXIV. S. 291. 1879.
4 Rosenstein a. a. O.
5 Traube, Ges. Beitr. z. Pathol, u. Physiol. III. S. 595. Taf. 1 u. 2. Berlin 1878.
Handbuch der Physiologie. Bd. IY. 13