Über die Gesetze der Ermüdung.
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Das Gewicht in diesem und in den folgenden Versuchen wirkt als Ueber-
lastung am Muskel, mit Ausnahme einiger Versuche, welche ich später be¬
zeichnen werde.1 Fig. 5 ist eine von Dr. Vittorio Aducco unter gleichen
Verhältnissen geschriebene Curve. Bei diesen Versuchen kam eine Maximal¬
leistung bis zur Erschöpfung der Kraft in Verwendung. Wenn man Ge¬
wichte von 3 bis 4 Kilogramm benützt und die Contractionen alle zwei
Secunden wiederholt, so macht man gewöhnlich 40 bis 80 Contractionen,
welche regelmässig schwächer werden. Die Linie, welche die oberen End¬
punkte der in gleichen Abständen geschriebenen Zusammenziehungen ver¬
bindet, wurde schon von H. Kronecker als Ermüdungscurve bezeichnet.
Wenn man mit einem nicht zu grossen Gewichte arbeitet, so fühlt
man, dass man im Anfänge das Maximum der Beugung erreicht, ohne
dass die Muskeln die ganze Leistung vollzogen hätten, deren sie fähig sind,
und schliesslich, wenn man ermüdet ist, gelingt es trotz aller Anstreng¬
ung nicht mehr, das Gewicht zu heben. Es ist daher nicht möglich,
zwischen dem ersten Theile der Curve und dem letzten einen genauen
Vergleich zu machen. Jedoch auch in diesem Verhältnisse nämlich, wenn
die Gewichte derart sind, dass zur Durchführung eines Maximalhubes keine
Maximalleistung gehört, kann man — wenn man die Willenskraft bis zur
Erschöpfung der Muskelkraft zu behaupten sucht — noch regelmässige
und für das Studium der Ermüdung verwendbare Curven erhalten.
In Figg. 4 und 5 sieht man sofort den grossen Unterschied in der
Ermüdungscurve zweier Personen, obgleich sie fast das gleiche Alter von
24 bis 28 Jahren haben, dieselbe Lebensweise führen und Beide mit einer
Maximalanstrengung, alle zwei Secunden ein Gewicht von 3 Kilogramm
heben. Beim Dr. Maggiora nehmen die Contractionen beim Beginn der
Arbeit an Höhe rapid ab, weniger rasch gegen das Ende zu. Dr. Aducco
giebt unter gleichen Verhältnissen eine gerade verkehrte Curve (Fig. 5),
d. h. am Beginne ist die Abnahme der Höhe der Contractionen gering,
gegen das Ende zu hingegen nehmen dieselben rapid ab, bis der Muskel
sich endlich nicht mehr zuzammenziehen kann.
Betrachten wir — bevor wir zur Besprechung der Curven übergehen
— näher die Wirkung des Ergographen. Fig. 6 stellt die Seitenansicht
einer Hand dar, wo der Mittelfinger während der Beugung nacheinander
in die drei Stellungen M, M, M" geräth. Wenn das erste und zweite
Fingerglied steif wären und der Finger sich nur im Metacarpo-phalangeal-
Gelenk drehte, so würde Punkt B, wo die Schnur, welche die Contractionen
verzeichnet, befestigt ist, einen Kreisbogen B C mit dem Mittelpunkte in A
1 Die Curven dieser Abhandlung und der folgenden von Dr. Maggiora, sind sämmt-
lich von rechts nach links geschrieben, mit Ausnahme einiger, welche von links nach
rechts geschrieben und zur Unterscheidung mit einem Pfeil »—>- bezeichnet sind.