Über die Gesetze der Ermüdung.
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M. Schiff hatte schon früher in seinem Lehrhuche über Muskel-
und Nervenphysiologie gesagt, „dass die Ausdehnungscurve der Muskel-
contraction äusserst langsam zur früheren Länge zurückkehrt“ und diese
geringe, bleibende Verkürzung hatte L. Hermann als Verkürzungs¬
rückstand bezeichnet;1 dies war die Wirkung der Ermüdung, wie es
schon Valentin, Helmholtz und Marey gesehen hatten.
Nach Kronecker war es E. Tiegel, welcher diese Erscheinung stu-
dirte und ihr den Namen Muskelcontractur gab. Er fand, dass im
Zustande der Contractur die Erregbarkeit des Muskels für seinen normalen
vitalen Reiz eine minimale geworden ist. Diese Thatsache ist sehr wichtig,
weil sie der erste Versuch ist, welcher der von mir vorher erwähnten
Hemmungsdoctrin als Grundlage dient. Der grösseren Genauigkeit halber
führe ich hier die Worte Tiegel’s selbst an „Legt man“, sagt er, „nach¬
dem der Muskel für irgend eine Reizstärke seinen Ermüdungsabfall zu er¬
kennen gegeben hat, die Wippe um, so dass die Inductionsströme direct
durch die Muskeln gehen, so tritt sofort in gewöhnlicher Weise die Con¬
tractur ein. Wurde nun auch nur nach einem einzigen Schlage, welcher
durch die Muskeln direct gegangen war, wieder die Nervenreizung be¬
gonnen, so konnten auf diesem Wege von dem eben noch untermaximal
in geradlinigem Abfall arbeitenden Muskel nur minimale Zuckungen durch
Nervenerregung ausgelöst werden.“ 2
Wir sehen hier die Erscheinung, welche sich bei dem Experimente
Fick’s und bei meinem als eine Hemmung darstellt, in ihrer anfäng¬
lichen Form.
Die über die Contractur mit dem Ergographen angestellten Forschungen
haben, glaube ich, einen grossen Vorzug über jene, welche bisher an
Fröschen gemacht wurden, da man beim Menschen die Versuchsconditionen
normaler erhalten kann und auch die Analyse dieser Erscheinung leichter
ist. Von meinen Experimenten über die Contractur werde ich nur jene
mittheilen, welche mit den Versuchen oder mit den Folgerungen der mir
in diesem Studium vorhergegangenen Autoren nicht übereinstimmen. Ich
hoffe, dass sie genügen werden, die enge Verwandtschaft zu beweisen, welche
zwischen Erscheinungen besteht, die unter verschiedenen Namen be¬
schrieben wurden und Versuche einander näher zu bringen, welche sich zu
widersprechen schienen.
1 L. Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd. I. S. 35.
2 E. Tiegel, Heber Muskelcontractur im Gegensatz zu Contraction. Pflüger’s
Archiv u. s. w. 1876. Bd. XIII. S. 71.