Über die Gesetze der Ermüdung.
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durch die wunderbar schnelle Erholung und durch das fast vollständige
Verschwinden der Schwäche, kaum dass man Speise zu sich genommen hat.
Bei der Ermüdung der Nervencentren durch geistige Arbeit, durch Nacht¬
wachen, durch angestrengte Märsche, hat die Speise wenig stärkenden
Einfluss. Dazu, dass der Muskel sich erhole, gehört eine unvergleichlich
längere Zeit und ist die Ruhe des Nervensystems durch Schlaf unerlässlich.
Es sind also zwei Ermüdungen verschiedener Natur: mit verschiedenen Ur¬
sachen und verschiedenen Heilmitteln.
Man wird diese Unterschiede in den Capiteln VIII, IX und X der
folgenden Abhandlung des Dr. Maggi or a besser sehen; indessen können
wir aus den Figg. 37 und 38 constatiren, dass die Speise bei der durch
excessive Arbeit des Gehirns verursachten Muskelschwäche nur sehr wenig
stärkenden Einfluss übe. Man könnte vermuthen, dass der Muskel im
Hunger an gewissen zu seiner Arbeit unentbehrlichen Substanzen verarme,
und dass er während der Nerventhätigkeit, durch die Geistesarbeit, durch
die Schlaflosigkeit und durch die angestrengten Märsche, an anderen für
seine Arbeit gleichfalls unentbehrlichen aber von ersteren verschiedenen
Substanzen verarme, weil der Muskel sie nicht mit gleicher Leichtigkeit
nach der Einführung von Nahrungsmitteln wieder zu erlangen vermag. Eine
solche Vermuthung scheint mir aber zu complicirt und wir werden sogleich
sehen, dass jene von der Vergiftung durch Substanzen, welche das Nerven¬
system während seiner Thätigkeit entwickelt, grössere Wahrscheinlichkeit
für sich hat.
Dass bei den antrengenden Märschen im Blute giftige Stoffe entstehen,
habe ich in folgender Weise nachgewiesen. Ich habe in meinem Labora¬
torium ein grosses Tretrad construirt, in welcher ich einen Hund stunden¬
lang laufen lassen kann. Nach einer Uebung von einigen Tagen erlernen
die Hunde leicht in dem Rade zu laufen. Mittels eines Gasmotors von
Langen und Wolff kann ich diesem Tretrad eine beliebige Geschwindig¬
keit geben und den Hund zwingen 12 bis 18 Stunden zu laufen, bis seine
Kräfte fast erschöpft sind. Ich habe nun gefunden, dass das Blut eines
bis zu diesem äussersten Grade ermüdeten Hundes giftig ist. In der That,
wenn man das Blut desselben einem anderen Hunde injicirt, so zeigt dieser
Vergiftungssymptome. Die Hunde erscheinen müde und niedergeschlagen,
oft erfolgt Erbrechen. Sofort nach der Transfusion legen sie sich nieder
und man muss sie sehr reizen, damit sie sich bewegen; wenn sie gehen
oder wenn sie ein Hinderniss übersteigen, so erscheint in ihren Be¬
wegungen eine gewisse Steife und Schwerfälligkeit. Auf Jedem machen sie
den Eindruck einer tiefen Ermüdung.
Ich glaube, dass es überflüssig ist zu bemerken, dass ich mich vorerst
überzeugte, dass die Bluttransfusion aus einem Hunde in den anderen un-