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J. v. Kkies:
dass die Pulsbewegung in allen Gefässen ganz gleichartig und genau gleich¬
zeitig stattfindet. Von dieser Annahme ist aber der erste Theil sehr zweifel¬
haft und der letzte sicher unrichtig.1 Es muss daher von vornherein als
sehr fraglich angesehen werden, ob die Volumpulse eines Extremitätenstückes
mit den Druckpulsen der eintretenden Arterie übereinstimmen. Die Ver¬
suche lehren in der That, dass hier grosse Differenzen stattfinden können.
Hiernach erkennt man in den Volumpulsen Effecte, welche aus Vorgängen
in verschiedenen Theilen der Gefässbahn comhinirt sind, und es erscheint
fast unmöglich, aus ihnen einen Schluss auf irgend welche bestimmte Vor¬
gänge der Wellenbewegung zu ziehen. Gleichwohl gelingt eine solche Ver-
werthung mit Hülfe einer ganz andersartigen Betrachtung, welche von Fick
schon in seiner erwähnten Arbeit gegeben, von den meisten späteren Autoren
aber nicht berücksichtigt worden ist. Der letztere Umstand mag es recht-
fertigen, wenn ich dieselbe nochmals kurz auseinandersetze. Die Bewegungen
des Wasserniveaus entsprechen zunächst, das ist leicht einzusehen, den
Schwankungen des Armvolums.2 Die Frage ist nun, ob nicht aus diesen auf
die Vorgänge an irgend einer bestimmten Stelle der Gefässbahn geschlossen
werden kann. Dies ist in der That möglich. Da nämlich sowohl das Blut
als die Gewebsmassen als incompressibel anzusehen sind, so zeigen offen¬
bar die Volumschwankungen die Variirungen der Blutfüllung an. Nun ist
ersichtlich, dass die Blutfülle und somit das Volumen des betreffenden Stückes
steigen muss, sobald mehr Blut hinein als herausströmt, abnehmen, so¬
bald die Differenz die entgegengesetzte ist. Da nun die Stromstärke in den
1 Eollett berücksichtigt (Handbuch der Physiologie. Bd. IV. S. 261) nur die
Ungleichzeitigkeit des Pulses in den verschiedenen Gefässabschnitten. Er sagt dort:
„Was man durch die Application des Sphygmographen erreichen will, nämlich einen mög¬
lichst richtigen graphischen Ausdruck jenes Gesetzes (desjenigen nämlich, nach welchem
sich das Wandtheilchen der Arterie in Folge der durch das Arterienrobr tretenden Welle
bewegt), das wird bei dem Hydrosphygmographen von vorn herein in Frage gestellt;
denn wenn wir auch annehmen, dass die Volumschwankungen der Hand und des Arms
nur von der Systole und Diastole der Arterien herrühren, so ist doch der Stand des
Wasserniveaus im Hydrosphygmographen in jedem Moment nicht der Ausweichung eines
bestimmten Wandtheilchens entsprechend, sondern eine Resultirende der gleichzeitigen
Ausweichung aller in den Arterien des untersuchten Körpertheils der Länge nach auf¬
gereihten Wandtheilchen. Man müsste also eine deformirte Pulscurve erwarten.“ Es
kann dieser Betrachtung noch hinzugefügt werden, dass die Form der Pulswelle
in den peripherischen Gefässen eine wesentlich andere sein kann, sobald hier Reflexionen
stattfinden. Alsdann wird auch aus diesem Grunde die combinirte Beobachtung des
Pulses in sämmtlichen Gefässen ein Bild liefern können, welches von dem Vorgänge
an irgend einer bestimmten Stelle wesentlich verschieden ist.
2 Es ist hier abgesehen von etwaigen der Methode anhaftenden Fehlerquellen,
und namentlich vorausgesetzt, dass keine Bewegung des Arms im Ganzen, aus dem
Cylinder heraus oder in ihn hinein, stattfinden könne. Auf diesen Punkt wird alsbald
zurückzukommen sein.