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v. Kries:
Interesse, über die Dauer der einzelnen Schwankung bei physiologischer In¬
nervation etwas zu ermitteln. Es gelang dies ganz von selbst bei Wieder¬
holung der Lovén’schen Versuche über den Strychnintetanus. An einem
enthirnten Frosch wird der Semimembranosus und Gracilis mit thermi¬
schem Querschnitt und mit Ableitungselektroden versehen, und sodann eine
kleine Dosis Strychnin in die Lymphsäcke eingespritzt. Im Beginn der
Strychninwirkung erhält man nun bei mechanischer Reizung sehr mannieh-
faltige Bilder der Bewegung im Capillarelektrometer, indem die einzelnen
Innervationsanstösse sich in kleinerer oder grösserer Zahl combiniren. Eine
sehr häufige Erscheinung aber bilden einzelne Ausschläge, welche keiner¬
lei Discontinuität oder Intermittenz erkennen lassen, und welche relativ
langsam verlaufen, so dass man sie auf den ersten Blick von den durch
elektrische Momentanreize hervorgerufenen Einzelschwankungen unterschei¬
den kann. Ich schätze ihre Dauer auf 1/3 Secunde. Was den Tetanus
anlangt, so bemerkt man bei den mässig lange andauernden Anfällen im
Anfang die grösste Frequenz der Oscillation, welche 8 bis 9 per Secunde
nicht überschreitet. Gegen Ende des Anfalls werden die Oseillationen lang¬
samer und hören in der Regel mit einem Rhythmus von 3 bis 4 in der
Secunde auf. Da auch hierbei keine Auflösung der Contraction in
einzelne Zuckungen, sondern ein langsames Nachlassen zu beobachten ist,
so erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass die Dauer des physiologischen
Reizanstosses 1/3 Secunde erreichen kann. Ganz ähnliche Ausschläge von
einfachem, aber gestrecktem Verlauf (ca. 1/3 Secunde) erhielt ich auch am
unvergifteten Frosch bei Reizung des Rückenmarkes mittels einzelner In-
ductionsschläge. Da man hierbei bekanntlich durch Stromschleifen sehr
leicht die vorderen Wurzeln direct reizen bann, so sieht man häufig im
Elektrometer den kurzen Ausschlag, welcher dem elektrischen Reiz ent¬
spricht, gefolgt von dem langsameren, welcher den durch das Rückenmark
übertragenen Reiz darstellt. Macht man den Strom stärker, so wird der
letztere oscillirend. Dass die Dauer des physiologischen Innervationsanstosses
bis V3 Secundo betragen könne, erscheint mir nicht unwahrscheinlich;
doch bleibt dabei zu beachten, dass wir vorläufig keine Veranlassung haben,
dem physiologischen Einzelreiz eine bestimmte, allemal gleiche Dauer zuzu¬
schreiben. Der letztere Punkt, die Mannichfaltigkeit der physiologischen In¬
nervation, erscheint mir noch in anderer Beziehung wesentlich. Wenn, wie
Lovén angab und ich bestätigen kann, die Oscillationsfrequenz der physio¬
logischen Innervation innerhalb einer gewissen Breite variabel ist, so kann
es auch so sehr nicht auffallen, wenn bei elektrischer Tetanisirung des
Rückenmarkes eine noch höhere Frequenz erreicht wird. Helmholtz sagt
a. a. 0.: „dagegen sah ich schwache Schwingungen der Feder, welche der
natürlichen Vibrationszahl des Froschrückenmarkes zu entsprechen schienen,