Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Rhythmische Verbindung der Schallvorslellungen. 
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sonstigen Einförmigkeit einen größeren Umfang zulässt, können drei, vier 
und selbst fünf Reihen mit einander verbunden werden1). Die Zahl ein¬ 
facherer rhythmischer Gebilde, die in zusammengesetztere vereinigt werden 
können, nimmt demnach mit steigender Complication immer mehr ab. 
Während der Takt sehr wohl 12 Intensitätswechsel des Klangs enthalten 
kann (wie im 12/s Takt), erreicht die Reihe höchstens 6 Takte, die Periode 4, 
nur ausnahmsweise noch ö Reihen. In der Musik wird das in Takte, 
Reihen und Perioden gegliederte Ganze häufig mehrmals in größere Ab¬ 
schnitte oder Sätze gefügt. Aber diesen Abschnitten fehlt die rhythmische 
Uebersichtliclikeit. Sie finden ihren Zusammenhang nicht in rhythmischen 
Motiven, sondern in der Melodie: hier ist daher auch die Verbindung eine 
weit entferntere, wobei nur im allgemeinen die Erinnerung an das früher 
gehörte vorausgesetzt wird, ohne dass jedoch bestimmte Grenzen des Um¬ 
fangs, innerhalb deren dies noch geschehen kann, nachzuweisen wären. 
Erst die systematische, von Takten zu Reihen, von diesen zu Perioden 
fortschreitende rhythmische Eintheilung eines Ganzen successiver Klang¬ 
vorstellungen ermöglicht die zeitliche Uebersicht und Zusammenfassung 
desselben. Die Reihe wird durch Takte, die Periode durch Reihen zu¬ 
sammengehalten: für sich würde jedes dieser größeren rhythmischen Ge¬ 
bilde aus einander fallen; und wie jedes nur eine begrenzte Größe er¬ 
reichen kann, bis zu der es allein von unserer Zeitauffassung zu bewältigen 
ist, so findet der ganze rhythmische Aufbau seine Grenze hinwiederum in 
der Periode. Das rhythmische Element aber, auf welches alle zusammen¬ 
gesetzten Bildungen zurückführen, ist der Takt. Indem dieser eine con¬ 
stante Anzahl von Hebungen und Senkungen in sich enthält, nimmt er 
eine bestimmte Zeitdauer in Anspruch. Die Vorstellung der Zeitdauer 
und ihrer Eintheilung findet daher nicht nur ihren Ausdruck im Rhythmus, 
sondern sie vervollkommnet sich auch wesentlich mittelst desselben. Von 
den Zeitverhältnissen eines Ereignisses haben wir nur dann eine einiger- 
maßen genaue Vorstellung, wenn dasselbe in rhythmischer Form abläuft. 
Ursprünglich aber ist außer unserer eigenen Bewegung nur den Klang¬ 
vorstellungen das rhythmische Maß eigen. Der Gesichtssinn nimmt erst, 
indem er die Bewegung objectiv auffassen lernt, daran Theil. Von unserer 
Bewegung her, in der wir das Rhythmische am frühesten finden, nennen 
wir daher den Rhythmus überhaupt eine nach genau bestimmtem Maß 
fortschreitende Bewegung. Aber in der Feinheit, mit der es die Schritte 
1) Als Beispiel einer fünfgliedrigen Periode vgl. Goethe’s Kophthisches Lied (»Geh’, 
gehorche meinen Winken« u. s. w. Werke I, S. 144). Eine fünfgliedrige Periode 
steht, wie dieses Beispiel zeigt, schon sehr hart an der Grenze, wo die Uebersicht- 
lichkeit aufhört. Vergl. a. Westphal, Theorie der neuhochdeutschen Metrik, Jena 1870 
und: Allgemeine Theorie der musikalischen Rhythmik seit J. S. Bach, Leipzig 1 880.
	        
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