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Gehörsvorstellungen.
bei denjenigen Intervallen, deren einfachste Schwingungszahlen um mehr
als eine Einheit verschieden sind. Hierher gehören die große Sexte
(3:5), die kleine Sexte (5:8), kleine Septime (5 : 9) u. s. w. Bei der
großen Sext ist der Grundklang die tiefere Quinte, bei der kleinen Sep¬
time die große Terz, bei der kleinen Sexte ist er die tiefere große Sexte
des ersten Klangs. Der Grundklang kann hier immer erst unter Mithülfe an¬
derer Intervalle associativ erregt werden, und beim Zusammenklang könnte
er höchstens als Differenzton höherer Ordnung entstehen. Als solcher ist
er aber zu schwach, um auf die Empfindung einen Einfluss zu gewinnen1).
Directe und indirecte Klangverwandtschaft treffen nicht nur immer
zusammen, sondern es sind auch je zwei Klänge sowohl direct als indirect
immer im gleichen Grade verwandt. Offenbar nämlich werden wir
als Maß der dir e et en Verwandtschaft die Entfernung des ersten gemein¬
samen Obertons, als Maß der indirect en die Entfernung des gemein¬
samen Grundtons, der beim Zusammenklang als Differenzton erster oder
höherer Ordnung zu hören ist, benützen können. Nun ergibt sich aus
der auf S. 49 mitgetheilten Tabelle, dass z. B. bei der Quinte der nächste
zusammenfallende Obeiton der 3te Partialton, also die Duodecime, des
ersten, und der 2te, also die Octave, des zweiten Klangs ist. Nach der
kleinen Tafel auf S. 57 liegt aber der Grundklang der Quinte eine Octave
unter dem tieferen, eine Duodecime unter dem höheren Ton. Das ähn¬
liche Verhältniss stellt sich in Bezug auf die übrigen Intervalle heraus.
Der gemeinsame Grundton liegt bei allen Intervallen ebenso
weit von dem tieferen wie der gemeinsame Oberton von dem
höheren der beiden Klänge entfernt. Aber während der letztere
immer gehört wird, ob man nun die Klänge gleichzeitig oder successiv
angibt, kann der erstere nur beim Zusammenklang zu einem wirklichen
Bestandtheil der Empfindung werden.
Weniger einfach gestaltet sich die Beziehung der beiden Arten der
Klangverwandtschaft, wenn statt zweier Klänge drei oder mehrere mit
einander in Verbindung treten, was abermals entweder in der Form der
Aufeinanderfolge oder des Zusammenklangs geschehen kann. Der Grad
der directen Verwandtschaft wird auch hier durch diejenigen Partialtöne
bestimmt, welche den mit einander verbundenen Klängen gemeinsam sind.
Die Zahl dieser für alle Klänge identischen Partialtöne nimmt natürlich mit
der Zahl der verbundenen Klänge ab, dagegen werden dieselben durch
ihre mehrfache Häufung weit stärker gehoben. Aehnlich verhält es sich
-1) Bei der kleinen Terz, großen Sexte und kleinen Septime ist dies z. B. ein Dif¬
ferenzton zweiter Ordnung, weil hier Quinte und große Terz als Combinationstöne
erster Ordnung Vorkommen; bei der kleinen Sexte, deren Differenzton die große Sexte
ist, stimmt aber erst ein Differenzton dritter Ordnung mit dem Grundklang überein.