Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

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Gehörsvorstellungen. 
den nachher zu besprechenden Verhältnissen der variabeln Klangverwandt- 
schaft immerhin nur eine untergeordnete Bedeutung gewinnen, sind sie es, 
die den natürlich vorkommenden Klang- und Geräusch formen 
hauptsächlich zu Grunde liegen. Die Schallerregungen, die der Donner, 
der Wind, das Fließen des Wassers, der Fall schwerer Körper hervor¬ 
bringen, unterscheiden sich uns leicht durch charakteristische Klang- und 
Geräuschelemente von annähernd constanter Beschaffenheit. Nicht minder 
erkennen wir an ihnen die Stimmen der Thiere, den Gesang der Vögel, 
das Schwirren gewisser Insekten u. dergl. Zu den nämlichen durch con¬ 
stante Klangverwandtschaften ausgezeichneten natürlichen Lauten gehören 
endlich noch, als ihre wichtigste Classe, die menschlichen Sprachlaute. 
Schon Willis und Wheatstone bemerkten, dass die Vocalklänge auf 
der Hervorhebung bestimmter, für jeden'Vocal charakteristischer Partial¬ 
töne beruhen1). Unabhängig von einander zeigten dann Donders und 
Grass mann, dass die Mundhöhle als resonanzgebender Baum jene cha¬ 
rakteristischen Partialtöne der Vocale verstärkt2), und Helmholtz hat end¬ 
lich durch künstliche Composition aus einfachen Stimmgabelklängen die 
Vocale auf rein akustischem Wege zu erzeugen gesucht3). Da die Conso- 
nanten nicht mehr eigentliche Klänge sondern Geräusche sind, die eben 
deshalb eine Analyse schwerer zulassen, so sind für sie die charakteri¬ 
stischen Partialtöne meistens nicht unmittelbar zu bestimmen. Wahrschein¬ 
lich sind oft viele, die sich zu einer unregelmäßigen Luftbewegung zu¬ 
sammensetzen und dadurch Geräusche bilden, an ihrer Entstehung be¬ 
theiligt. Doch scheinen bei einigen Consonanten, welche unabhängig 
von mitgesprochenen Vocalen einen gewissen Klangcharakter an sich tra¬ 
gen, wie dem P, K, R u. s. w., auch einzelne charakteristische Partialtöne 
nachweisbar zu sein4). Indem das menschliche Sprachorgan auf diese 
Weise Klang- und Geräuschformen von constanter Beschaffenheit erzeugt, 
wird es gerade geeignet bei bestimmten Gefühlen und Vorstellungen 
immer wieder dieselben Lautzeichen hervorzubringen und auf diese Weise 
jene inneren Vorgänge nach außen mitzutheilen. An den außer uns her¬ 
vorgebrachten Schalleindrücken lehrt die constante Klangverwandtschaft 
höchstens gewisse Klangquellen unterscheiden, bei den Sprachlauten ist 
jene constante Klang- und Geräuschfärbung zu einem Element mannig- 
1) Willis, Pogg. Ann. XXIV, S. 397, 1832. Wheatstone, Westminster Review, 
Oct. 1837. 
2) Donders, Archiv f. die holländ. Beiträge für Natur- und Heilkunde, I, S. 157. 
Grassmann, Programmbeilage des Gymnasiums zu Stettin, 1 854, und Wiedemann’s Ann. 
I, S. 606. 
3) Helmholtz, Lehre von den Tonempfindungen, 3. Aufl., S. 162 ff. F. Auerbach, 
Wiedemann’s Ann., IV, S. 508. 
4) Wolf, Sprache und Ohr. Braunschweig 1871, S. 23 ff.
	        
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