Allgemeine Formen der Schallvorstellungen.
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innigste mit Gesichtsvorstellungen zu associiren. Dagegen können Klänge
von mehr oder minder zusammengesetzter Beschaffenheit als selbständige
Vorstellungen bestehen. Hierbei sind wir durch die unmittelbaren psy¬
chologischen Eigenschaften der Tonempfindungen befähigt, solche Klänge,
die uns gleichzeitig oder in zeitlicher Folge gegeben werden, nach ihrer
Verwandtschaft zu ordnen, indem wir Klänge, die irgend welche einfache
Tonempfindungen mit einander gemein haben, in eine Beziehung zu ein¬
ander bringen. Diese Beziehung bezeichnen wir als Klangverwandt¬
schaft.
Die letztere kann aber entweder darin bestehen, dass gewisse Partial¬
töne bei einer bestimmten Classe von Klängen immer wiederkehren, wie
auch die Höhe des Grundtons und der von dem letzteren abhängigen Ober¬
töne sich ändern mag; hier erscheinen daher gewisse Partialtöne als die
constanten Begleiter der mit einander verglichenen Klänge. Oder es können
die zusammenfallenden Partialtöne mit dem Schwingunçsverhâltniss der
Grundtöne wechseln, so dass die Höhe der letzteren die Verwandtschaft
bestimmt. Wir wollen das erste die constante, das letztere die va¬
riable Klangverwandtschaft nennen.
Die constante Klang Verwandtschaft bildet das allgemeinste
Hülfsmittel zur Erkennung des Ursprungs solcher Klänge, die uns aus
früherer Erfahrung bekannt sind. Sie ist es, die der specifischen Klang¬
färbung musikalischer Instrumente und anderer Klangquellen zu Grunde
liegt. Doch muss hierbei der Begriff der Klaugverwandtschaft etwas weiter
als auf die Identität einzelner Partialtöne ausgedehnt werden. Es können
nämlich Klänge auch dann in constanter Weise verwandt erscheinen,
wenn bestimmte Ordnungszahlen der Partialtöne fehlen oder im Gegentheil
stark vertreten sind. Hier sind also in Wahrheit die Partialtöne ver¬
änderlich; aber da sie ein bleibendes, charakteristisches Verhältniss bei¬
behalten, so muss dieser Fall doch dem Gebiet der constanten Klang¬
verwandtschaft zugerechnet werden. Die Klangähnlichkeit musikalischer
Instrumente beruht zum größten Theile auf Momenten, die hierher gehören,
wie auf dem Fehlen der gerad- und ungeradzahligen Partialtöne, der
Heraushebung oder Beseitigung von Obertönen bestimmter Ordnung1).
Hierzu kommen dann in der Begel auch noch constante Obertöne, meistens
von sehr bedeutender Tonhöhe, welche aus gleichförmigen Bedingungen
der Klangerzeugung entspringen, sowie gewisse begleitende Geräusche,
welche in einzelnen Fällen, z. B. bei den Streichinstrumenten, zur Kenn¬
zeichnung des Klanges nicht unwesentlich beitragen. Während aber bei
den musikalischen Klängen solche wirklich constante Partialtöne neben
1) Vgl. I, S. 419 f.