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Ausdrucksbewegungen.
lieh das zweite, auch für die Gedankenäußerung keineswegs bedeutungs¬
los. Indem das Mienenspiel des Gesichts fortwährend die Gefühle und
Affecte andeutet, welche mit den ausgedrückten Zeichen verbunden wer¬
den, wird die Bedeutung dieser Zeichen verständlicher. Auf diese Weise
bildet besonders die Mimik des Mundes einen fortlaufenden, wenn auch
nur auf Gefühle hinweisenden Commenter zu dem, was Auge, Hand und
Finger directer ausdrücken. Diese Begleitung durch Geftihlsausdrücke fehlt
auch bei der Lautsprache keineswegs; sie pflegt nur ungleich lebendiger
zu sein bei der Geberdensprache, die kein Hüllsmittel entbehren kann,
das zu größerer Verdeutlichung dienen mag.
Der Sprachlaut entspringt gleich der Geberde aus dem Trieb, der
in den Menschen gelegt ist, seine Gefühle und Affecte mit Bewegungen
zu begleiten, welche zu den gefühlerregenden Eindrücken in unmittel¬
barer Beziehung stehen und dieselben durch subjectiv erzeugte analoge
Empfindungen verstärken. Ursprünglich entstehen zweifellos alle diese
Bewegungen in der Form einer Triebhandlung. Auf das Object, das seine
Aufmerksamkeit fesselt, weist der Naturmensch mit der Hand hin; die
Bewegung anderer Wesen oder selbst lebloser Objecte, die sein Mitgefühl
erregen, bildet er nach durch eine ähnliche Bewegung, und er begleitet
diese Bewegungen mit Lauten, welche nach dem Princip der Verbindung
analoger Empfindungen die stumme Geberde verstärken. Oder er weckt
eine reproducirte Vorstellung zu größerer Lebendigkeit, indem er den
Gegenstand derselben durch malende Pantomimen nachbildet und wieder
einen gleich bedeutungsvollen Laut hinzufügt. Noch heute können wir
diesen Process an Menschen von lebhafter Phantasie beobachten, wenn
sie ihre einsamen Gedanken mit Gesticulationen und Worten begleiten.
Nur das Wort finden sie in der Sprache bereits vor, das jener erste Natur¬
mensch, wie wir ihn hier voraussetzen, gleichfalls in der Form einer
natürlichen Geberde hervorstieß. Aber die ursprüngliche Klanggeberde
unterscheidet sich von der stummen Pantomime wesentlich dadurch, dass
sich in ihr die Bewegung mit der Schallempfindung verbindet. Sie bietet
also der äußern Vorstellung, an die sie sich anschließt, eine doppelte
subjective Verstärkung dar, und hierdurch schon muss sie die stumme
Geberde an versinnlichender Kraft hinter sich lassen. Als begleitende
Bewegung kann auch der Taubstumme die Klanggeberde gebrauchen,
indem er für bestimmte Vorstellungen bezeichnende Laute hat, die ihm
selbst nur als Bewegungsempfindungen bewusst sind1). Aber das weitaus
überwiegende Element der Klanggeberde ist vermöge der hohen Entwick-
') Vgl. oben S. 503 und Steikthal, in Prutz’ deutschem Museum. 4 851, I, S. 917.