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Ausdrucksbewegnngen.
der allgemeinen psychologischen Gesetze handelt, die hier zur Geltung
kommen. Nur auf zwei complicirtere Bewegungen dieser Art wollen wir
hinweisen, welche die stärksten Ausdrucksmittel der entgegengesetzten
Lust- und Leidaffecte darstellen: das Lachen und Weinen. Der Ge¬
sichtsausdruck des Weinens besteht, wie bei dem sauren Geschmacksreiz,
in einer Erweiterung der Mundspalte, die sich zuweilen mit dem bittern
Zug mehr oder minder deutlich combinirt. Zugleich werden die Nasen¬
löcher geschlossen, die Nasenwinkel herabgezogen, wie bei der Abwehr
unangenehmer Geruchsreize. Das Auge ist halb geschlossen, als solle ein
empfindlicher Lichtreiz ferngehalten werden, und die Spannung der das
Auge umgebenden Muskeln wird entsprechend der Stärke des Affectes ver¬
mehrt: in Folge dessen legt sich die Stirn in senkrechte Falten. Auch
die Stimmmuskeln nehmen, namentlich bei Kindern, leicht an der ver¬
breiteten motorischen Erregung Theil. Durch directe Innervationsänderung
ergießen sich die Thränen, der Herzschlag wird beschleunigt, und die
Blutgefäße verengern sich. Wahrscheinlich ist es die dauernde Contrac¬
tion der kleinen Arterien, die eine Reizung des Centrums der Exspiration
herbeiführt. Das Schreien wird daher zu einem natürlichen Begleiter der
krampfhaften Ausathmungsanstrengungen, die in Folge der Dyspnoe, die
sie herbeiführen, von einzelnen Inspirationsstößen unterbrochen werden.
So stellt das Schluchzen als natürliche Folge heftigen Weinens sich ein.
Das Lachen unterscheidet sich vom Weinen hauptsächlich durch die ver¬
schiedene Mimik der Nase und des Auges. Beide Sinnesorgane sind in
der Regel weit geöffnet, wodurch die Stirn in horizontale Falten gelegt
wird; auch der Mund ist geöffnet, als sollten alle Sinne den erfreulichen
Eindruck aufnehmen. Dabei findet auch beim Lachen eine directe In¬
nervation der Gefäße statt. Sie ist aber nicht, wie beim Weinen, eine
dauernde, sondern, gemäß der Natur der Lachreize, des Kitzels und des
Komischen, höchstwahrscheinlich eine intermittirende1). So tritt denn
auch eine intermittirende Reizung des Exspirationscentrums ein. Das
Lachen macht sich daher von Anfang* an in einzelnen durch Einathmungen
getrennten Exspirationsstößen Luft. Bekanntlich kann bei heftigem Lachen
die so bewirkte starke Erschütterung des Zwerchfells sehr anstrengend
werden. Dann nimmt das Auge die Mimik der Anstrengung an, fest ge¬
haltenen Blick verbunden mit senkrechten Stirnfalten. Daher die merk¬
würdige Aefinlichkeit, welche Lachen und Weinen in ihren äußersten
Graden darbieten.
1) E. Hecker, Die Physiologie lind Psychologie des Lachens und des Komischen,
S. 7 ff. Vgl. oben S. 220.