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Gehörsvorstellungen.
Zwölftes Oapitel.
Gehörsvorstellungen.
1. Allgemeine Formen der Schallvorstellungen.
Vor andern Vorstellungen zeichnen sich die des Gehörsinns durch die
Eigenschaft aus, dass sie aus einer außerordentlich reichen, aber gleich¬
artigen sinnlichen Grundlage entspringen. Das einzige Material für ihren
Aufbau bilden nämlich die Ton- und Geräuschempfindungen; andere Sinnes¬
eindrücke wirken nicht oder doch nur in secundärer Weise bei ihrer Bil¬
dung mit. Namentlich ist die räumliche Beziehung hier nicht selbständig
entwickelt, sondern von den andern raumauffassenden Sinnen, dem Gesicht
und Getast, erst entliehen. Man darf wohl vermuthen, dass gerade in der
Gleichartigkeit ihrer sinnlichen Grundlage die Unmöglichkeit einer räum¬
lichen Ordnung der Gehörsvorstellungen mitbegründet liegt. Sie verhalten
sich in dieser Hinsicht ähnlich den ‘zwei andern Sinnen, deren Empfin¬
dungen ebenfalls auf die Form intensiver Qualitäten beschränkt bleiben,
dem Geruch und Geschmack. Aber es unterscheidet sie wieder der Reich¬
thum ihrer qualitativen Mannigfaltigkeit, die genaue Anpassung der Empfin¬
dung an den äußeren Eindruck in Bezug auf den zeitlichen Wechsel
desselben, und endlich die Möglichkeit, die regelmäßigeren Schallein¬
drücke der Klänge und Zusammenklänge in der Empfindung zu analysiren
und auf diese Weise jedes Element einer complexen Empfindung in die
stetige Tonreihe einzuordnen. Auf der zweiten dieser Bedingungen be¬
ruht die Eigenschaft der Gehörsvorstellungen, dass sie das wesentlichste
Hülfsmittel der Zeitanschauung abgeben, die zwar in der Bewregungsvor-
stellung bereits angelegt, deren höhere Ausbildung aber ganz und gar an
den Gehörsinn gebunden ist.
Von den beiden Hauptarten der Schallempfindung, den Klängen und
Geräuschen, sind es vorzugsweise die ersteren, welche bei der Bildung
zusammengesetzter Gehörsvorstellungen in Betracht kommen. Die Geräusche
verbleiben im allgemeinen auf der Stufe begleitender Empfindungen, welche
entweder gewissen Klängen oder andern Vorstellungen, namentlich Gesichts¬
vorstellungen, eine charakteristische Beziehung verleihen können, ohne
dass die Geräusche als solche eine selbständige Bedeutung gewinnen. So
helfen gewisse Geräusche, w7elche musikalische Klänge begleiten, bei der
Erkennung der Klangquelle mit, und andere Geräusche, welche an be¬
stimmte äußere Vorgänge gebunden sind, wie der Donner des Gewitters,
das Rauschen des Windes, das Prasseln des Feuers, pflegen sich auf das