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Einfluss des Willens auf die Körperbewegungen.
sinnlichen Lustgefühl begleitet. Indem die Bewegung in verschiedenen
Fällen bald vollkommener bald unvollkommener ihren Erfolg erreicht,
wird so schon innerhalb der Triebhandlungen selbst ein Uebergang zu
zweckmäßigeren Bewegungen in gewissem Grade möglich sein.
Von tiefgreifendem Einfluss auf diese Entwicklung wird nun aber die
Entstehung der willkürlichen Bewegungen. Obzwar diese Ent¬
stehung die Existenz von Triebbewegungen voraussetzt, so dürfte sie
gleichwohl in die früheste Entwicklungszeit des Bewusstseins hinaufreichen.
Schon bei den niedersten thierischen Wesen treffen wir deutliche An¬
zeichen willkürlichen Handelns an. Neben den einfachen Triebbewegungen
treten von Zeit zu Zeit solche Bewegungen auf, bei denen eine Wahl
zwischen verschiedenen Motiven sich geltend macht. Seltener handelt es
sich hierbei um einen Kampf verschiedener Triebe, wie er sich erst in
den höher entwickelten Bewusstseinsformen gestaltet, als um einen Wett¬
streit zwischen verschiedenen den nämlichen Trieb erweckenden Reizen.
Sobald auf diese Weise die Vorstellung entstanden ist, dass statt der ge¬
gebenen Bewegung eine andere mit anderm Erfolg hätte ausgeführt wer¬
den können, so besitzt die Handlung subjectiv und object!v das Merkmal
einer willkürlichen. Die gewöhnliche Auffassung der Willkürbewegungen
lässt es sich nun in der Regel genügen, wenn ein einzelner Act aus einer
Reihe zusammengehöriger Handlungen die Zeichen der Willkür an sich
trägt, um die ganze Kette von Bewegungen als willkürlich anzusprechen.
Die psychologische Untersuchung muss hier nothwendig unterscheiden
zwischen den willkürlichen Bestandteilen und denjenigen, welche als
bloße Triebhandlungen oder sogar als rein meclfanische Erfolge der durch
vorangegangene Bewegungsacte gegebenen Anstöße betrachtet werden
müssen. Die Regel ist es durchaus, dass wir bei unsern willkürlichen
Handlungen nur im allgemeinen das Ziel im Auge haben, die Ausführung
im einzelnen aber einem angeborenen oder eingeübten Mechanismus über¬
lassen. Ferner können Rewegungen, denen ursprünglich eine bewusste
Absicht zu Grunde lag, nach häufiger Wiederholung auch ohne solche,
vollkommen unbewusst ausgeführt werden. Ein großer Theil der Rewe¬
gungen bei unsern täglichen Beschäftigungen gehört hierher. Meistens
geht dabei nur der erste Anstoß von unserm Willen aus, zuweilen können
wir aber auch einen ganzen Bewegungsact oder sogar eine Reihe zu¬
sammengesetzter Bewegungen von Anfang bis zu Ende ohne Bewusstsein
vollbringen, um erst dann, manchmal mit Ueberraschung, den Effect
wahrzunehmen.
Verfolgt man die Entwicklung einer derartigen mechanisch eingeübten
Bewegung in solchen Fällen, wo sich dieselbe während des individuellen