Triebbewegu'ngen und willkürliche Bewegungen. 49R
determinirenden Motiv ihren Ursprung hat. Schon die ein¬
fachste Triebhandlung ist also eine Willenshandlung. Den Ausdruck
willkürliche Handlung werden wir dagegen speciell für eine solche
Willenshandlung beibehalten können, bei der eine Wahl zwischen ver¬
schiedenen Motiven stattfindet.
Unserer Beobachtung sind selbstverständlich keine thierischen Wesen
gegeben, bei denen die ursprünglichen Triebbewegungen nicht bereits auf
einem in der ererbten Organisation fixirlen Entwicklungsprocess beruhten.
Selbst die Bewegungen der niedersten Protozoen zeigen daher von Anfang
an einen zweckmäßigen, der Beschaffenheit der äußeren Eindrücke und
den Lebensbedürfnissen des Individuums angepassten Charakter. Wie
dieser Zustand sich entwickelt hat, bleibt Gegenstand bloßer Muthmaßung.
Um den Entwicklungsgedanken zu Ende zu führen, könnte man annehmen,
aus den ursprünglich regellosen Bewegungen seien diejenigen allmählich in
eine festere Verbindung mit bestimmten einwirkenden Beizen getreten,
die Lustgefühle erregten oder Unlustgefühle beseitigten. Aber ließe sich
dadurch auch möglicherweise die Entstehung zweckmäßiger Triebbewe¬
gungen erklären, so sind doch in dieser Erklärung selbst die psychischen
Grundfunctionen, Empfindung und Wille, bereits vorausgesetzt, und da
wir uns die letzteren gar nicht vorhanden denken können, ohne dass sie
sich in entsprechenden Bewegungen äußerten, so bildet jene angenommene,
ursprünglich regellose Bewegung, deren sich der Wille bemächtigt hätte,
einen bloß imaginären Anfang, der nicht bloß in der Wirklichkeit niemals
zu erreichen ist, sondern dem auch die Wirklichkeit niemals entsprechen
konnte. Muss die Psychologie von dem Unternehmen abstehen, die Ent¬
stehung von Bewusstsein zu erklären, ebenso wie die Physik nicht über
die Entstehung von Materie Rechenschaft geben kann, so muss sie auch
die Grundfunctionen des Bewusstseins und damit zugleich die einfachsten
Formen, in welchen jene Grundfunctionen in der Körperbewegung sich äußern,
als das ihr ursprünglich Gegebene voraussetzen. Denn nicht die Ent¬
stehung sondern die Entwicklung der psychischen Lebensäußerungen bildet
die Aufgabe der psychologischen Untersuchung.
Existirt bei der ersten Aeußerung der angeborenen Triebe kein
vorangehendes Bewusstsein des Erfolgs der Bewegung, so muss nun aber
ein solches bei den nachfolgenden Triebhandlungen immer deutlicher sich
einstellen. Hand in Hand damit geht die Entwicklung der Bewegungs¬
vorstellung (Cap. XI, S. 21). Jeder Triebäußerung geht jetzt voran
1 ) die den Trieb erweckende Vorstellung, mit dem sie begleitenden Lust-*
oder Unlustgefühl, 2) die den Erfolg der Bewegung antieipirende Vor¬
stellung mit dem begleitenden Lustgefühl, und 3) die Vorstellung der Be¬
wegung, in der Regel ebenfalls von einem mehr oder minder deutlichen
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