Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

494 Einfluss des Willens auf die Körperbewegungen. 
welcher das Thier sitzt, langsam gedreht, so verändert es dabei fort¬ 
während die Lage seines Körpers in solcher Weise, dass das Gleichgewicht 
erhalten bleibt. Setzt man es z. B. auf die flache Hand und führt langsam 
eine Pronationsbewegung aus, so klettert es während derselben über die 
Kante der Hand hinweg und befindet sich nach Vollendung der Bewegung 
auf dem Handrücken1). Bringt man denselben Frosch in eine mit Wasser 
gefüllte Flasche, deren offener Hals in ein weites Wasserbecken getaucht 
wird, so veranlasst ihn nach einiger Zeit das eintretende Athembedürfniss, 
unruhig an den Wänden der Flasche umherzusuchen, bis er schließlich 
den Ausgang gewinnt2). Selbst Kaninchen, deren Hirnlappen sammt den 
Streifenhügeln sorgfältig abgetragen wurden, fliehen, wenn man sie reizt, 
bis irgend ein im Wege stehendes Hinderniss sie aufhält3). Alle diese 
Erscheinungen zeigen, dass die in den genannten Hirntheilen anlangenden 
Erregungen nicht, wie im allgemeinen die Rückenmarksreflexe, nach der 
Ausführung einer einzigen zweckmäßigen und dem Eindruck mehr oder 
weniger angepassten Bewegung ohne weitere Nachwirkung erlöschen. 
Vielmehr findet in der Regel eine ganze Reihenfolge zweckmäßiger Be¬ 
wegungen statt, die schon aus diesem Grunde der Beschaffenheit des Ein¬ 
drucks vollständiger angepasst sein müssen. Aber in allem dem liegt 
noch kein Grund, diese Bewegungen als etwas von den Rückenmarksre¬ 
flexen wesentlich verschiedenes aufzufassen. Es findet sich hier überall 
nur ein Gradunterschied, der wohl begreiflich wird, wenn wir erwägen, 
dass einem jeden jener complicirten Reflexcentren des Gehirns eine be¬ 
stimmte Aufgabe in dem ganzen Zusammenhang der Leistungen des cen¬ 
tralen Mechanismus zugefallen ist. Es ist zwar richtig, die Selbstregu¬ 
lirungen, die hierbei vorausgesetzt werden müssen, um die Anpassung an 
die Art der Eindrücke zu erklären, sind unendlich viel verwickelter, als 
sie bei irgend einer der uns bekannten Maschinen, die von Menschen¬ 
hand gebaut sind, Vorkommen. Aber welcher Mechaniker möchte sich 
anheischig machen, auch nur eine Maschine zu construiren, welche die 
^mannigfach veränderlichen Reflexe eines enthaupteten Frosches getreu 
nachahmte? Wir vermögen eben hier überall nur aus den allgemeinen 
Eigenschaften der centralen Nervensubstanz die merkwürdige Vereinigung 
von mechanischer Sicherheit und anpassungsfähiger Veränderlichkeit der 
Bewegungen zu begreifen. Unsere rohen Kunsterzeugnisse werden nie¬ 
mals die Wirksamkeit jener Gebilde, die das vollendetste Product orga¬ 
nischer Entwicklung sind, auch nur entfernt nachzuahmen im Stande sein. 
Der entscheidende Punkt bleibt hier immer die Frage: berechtigen uns 
\ ) Goltz a. a. O. S. 72. 
3) Siehe I, S. 204. 
2) Ebend. S. 70.
	        
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