Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

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Einfluss des Willens auf die Körperbewegungen. 
Bedingungen nur aus vorgebildeten Einrichtungen des physiologischen 
Mechanismus erklärt werden kann. Von dieser Seite fällt daher jedes 
Motiv weg, jenen Reflexen irgend einen Grad von Bewusstsein oder über¬ 
haupt von psychischer Thätigkeit im gewöhnlichen Sinne unterzuschieben. 
Wie der Wille nur ein innerer Reiz ist, der, nachdem er den ersten An¬ 
stoß zur Bewegung gegeben, den weiteren Ablauf der Selbstregulirung 
des physiologischen Mechanismus überlässt, so wird, wenn der letztere 
durch irgend einen äußeren Reiz ausgelöst wird, natürlich eine ähnliche 
Anpassung an die äußeren Umstände stattfinden, ohne dass eine bewusste 
Empfindung des Reizes hierzu erforderlich wäre. 
Zweitens fehlt dann aber auch, wie schon in Cap. XV (S. 229) her¬ 
vorgehoben wurde, in dem Verhalten des enthaupteten Thieres das we¬ 
sentlichste Kennzeichen, welches uns auf das Vorhandensein von Bewusst¬ 
sein könnte schließen lassen: nämlich irgend ein Merkmal, aus dem ein 
Fortwirken vorausgegangener Erregungen hervorginge. Nur in einer 
Beziehung könnten die Bewegungen auf die Ausbildung eines gewissen 
niederen Grades von Bewusstsein bezogen werden. Man sieht nämlich, 
dass dieselben bei häufiger Einwirkung des nämlichen Reizes sich all¬ 
mählich vervollkommnen. Der amputirte Frosch, nachdem er einmal das 
Bein der andern Seite zur Entfernung der ätzenden Substanz gebraucht 
hat, macht in künftigen Fällen leichter die nämliche Bewegung wieder. 
Eine gewisse Einübung kann also hier augenscheinlich stattfinden. Es ist 
freilich nicht nothwendig, dass eine solche auf Erinnerung beruht. Dass 
öfter ausgeführte Bewegungen bei neuen Anlässen mit immer größerer 
Sicherheit geschehen, liegt ja in den mechanischen Bedingungen des Ner¬ 
vensystems begründet. Anderseits lässt sich aber allerdings nicht un¬ 
bedingt bestreiten, dass dabei eine dunkle Erinnerung nebenher gehen 
mag. Wir haben daher auch schon früher1) die Möglichkeit offen gelassen, 
in einem solchen Rest eines Nervensystems dürfte ein niederer Grad von 
Bewusstsein sich ausbilden. Sicher ist übrigens nach der Beobachtung, 
dass ein derartiges Bewusstsein, falls es existirt, höchstens durch kurze 
Zeiträume getrennte Empfindungen mit einander verbindet, und dass in 
ihm keine spontane Reproduction früherer Eindrücke stattfindet, welche 
zu Bewegungen führen wTürde, die ohne directe Anregung durch äußere 
Reize entstehen können. Diesen Mangel an jedem Bewusstsein, das eine 
Mehrheit zeitlich getrennter Empfindungen verbindet, bezeugt nun auch 
das ganze Verhalten der enthaupteten Thiere. Lässt man bei den Ver¬ 
suchen, bei welchen der Ausführung einer bestimmten Bewegung absicht¬ 
lich Hindernisse entgegengestellt sind, eine längere Zeit zwischen der Ein- 
4) Cap. XV, S. 228.
	        
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