Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Automatische und reflectorische Bewegungen. 
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der automatischen Bewegung sich nicht hierauf beschränkt. Wir beobachten 
bei neugeborenen Thieren und Menschen eine Menge regelloser Körper¬ 
bewegungen, welche weder mit Bestimmtheit als Reflexe noch als Willens¬ 
bewegungen zu deuten sind, und welche daher möglicherweise die Be¬ 
deutung automatischer Reactionen besitzen. Auch im späteren Leben 
verschwinden solche zwecklose Bewegungen, die ohne sichtbaren äußeren 
Reiz entstehen, nicht ganz, und sie scheinen besonders in gewissen Krank¬ 
heitszuständen des Kindesalters enorm gesteigert zu sein1). Im ganzen 
treten sie aber immer mehr zurück oder verlieren wenigstens, indem sie 
sich als Glieder in den Ablauf gewisser Willensbewegungen einreihen, 
ihren ursprünglichen rein automatischen Charakter. Yon manchen Psy¬ 
chologen2) ist daher den automatischen Körperbewegungen eine hohe 
Wichtigkeit für die Entwicklung des Bewusstseins und insbesondere der 
willkürlichen Bewegungen zugeschrieben worden. Aber es ist zweifelhaft, 
ob man denselben dabei nicht eine zu weite Ausdehnung gegeben hat. 
Schon beim neugeborenen Kinde, bei welchem man vorzugsweise Be¬ 
wegungen von dem geschilderten Charakter antrifft, bleibt ihre Trennung 
einerseits von Reflexbewegungen anderseits von einfachen Trieb¬ 
handlungen unsicher. Bei weitaus den meisten selbst höheren Thieren 
tragen aber die Körperbewegungen von Anfang an die Merkmale ent¬ 
schiedener Willenshandlungen an sich, und in noch höherem Grade ist 
dies in der niederen Thierwelt der Fall. Die an die Beobachtung jener 
automatischen Bewegungen beim Neugeborenen geknüpfte Hypothese, 
dass sich aus ihnen die psvcho-physisch verursachten Körperbewegungen 
•allmählich entwickelt hätten, findet also in der Erfahrung keine Stütze, 
wenn auch die Möglichkeit nicht abgeleugnet werden kann, dass sich na¬ 
mentlich bei den höheren Thieren und beim Menschen der Wille allmählich 
solcher Bewegungen bemächtigt, die ursprünglich einen rein automatischen 
Charakter besaßen. Die gelegentlich eintretende willkürliche Beherr¬ 
schung der Athembewngungen, die in der Regel theils automatisch theils 
reflectorisch erfolgen, bietet jedenfalls ein augenfälliges Beispiel dieser 
Art dar. 
Die reflectorischen Bewegungen unterscheiden sich von den auto¬ 
matischen lediglich durch die Bedingung, dass bei ihnen die centrale 
motorische Erregung durch die in einem centripetal leitenden Nerven zu¬ 
geführte peripherische Sinnesreizung ausgelöst ward. Auch die Reflex¬ 
bewegung besitzt nicht immer den Charakter der Zweckmäßigkeit. Den 
1) Die von den Pathologen als Chorea, kleiner Veitstanz, Muskelunrahe bezeich- 
neten Zustände gehören hierher. 
2) So besonders von Bain, The senses and the intellect. 2. edit., p. 333 ff.
	        
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