Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Schlaf und Traum. 
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des Gehirns herbeigeführt. Nach den früher (I, S. 195 f.) angeführten 
Beobachtungen Mosso’s tritt wahrscheinlich durch Erregung des Ge- 
fäßnervencentrums eine Verengerung der kleinsten Hirngefäße und da¬ 
durch Anämie des Gehirns ein, während gleichzeitig das durch die ge¬ 
hemmte Athmung dyspnoisch gewordene Blut auf die Sinnescentren 
erregend einwirkt1). Durch welche Ursache übrigens, ob durch Blut¬ 
stauung oder durch gehinderten Blutzufluss, die Blutbewegung im Gehirn 
alterirt sein mag, beide Bedingungen begünstigen zusammen mit der ver¬ 
minderten Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureausscheidung die Anhäu¬ 
fung von Zersetzungsproducten des Stoffwechsels, welche nun direct auf 
die Elemente, mit denen sie in Contact kommen, erregend einwirken 
können. 
Auf diese, im einzelnen freilich noch durchweg der näheren Nachweise 
bedürftige Art müssen wir wohl die Entwicklung von Reizungszuständen 
uns denken, welche nun während des Schlafes überall die bestehenden 
Hemmungen durchbrechen und so den Zustand vollständiger Bewusstlosig¬ 
keit aufheben, um an seiner Stelle ein durch die eigenthümlichen Be¬ 
dingungen, unter denen es zu Stande kommt, verändertes Bewusstsein 
hervorzubringen. Dieses veränderte Bewusstsein ist der Zustand des 
Traumes. Indem im Traume Vorstellungen reproducirt und Sinnesein- 
drücke percipirt und appercipirt werden, erscheinen in ihm die Functionen 
des Bewusstseins wiederhergestellt. Aber dieses Bewusstsein ist in 
doppelter Beziehung ein verändertes: erstens besitzen die Erinnerungs¬ 
vorstellungen einen hallucinatorischen Charakter, weshalb auch die 
Assimilation äußerer Sinneseindrücke in der Regel nicht normale Sin- 
1) Die während des Schlafes eintretenden Veränderungen der Blutbewegung im 
Gehirn hat man nach einem zuerst von Donders angewandten Verfahren direct zu er¬ 
mitteln gesucht, indem man durch eine Trepanöffnung die Hirnoberfläche bloßlegte und 
dann die Oeffnung hermetisch durch ein festgekittetes Glasplättchen verschloss. (Donders, 
Nederl. Lancet, 1 850. Im Auszug in Schmidt’s Jahrbüchern der Medicin, LXIX, 1851, 
S. 16.) Bei tiefer Morphiumnarkose wurde dann Verengerung der kleinsten arteriellen 
Gefäße beobachtet. (Durham, Guy’s Hospital Reports, VI, 1 860, p. 149. Schmidt’s Jahrb. 
IX, S. 13.) G. Binz fand jedoch, dass eine solche Verengerung immer erst gegen 
Ende der Morphiumwirkung eintritt; im Anfang der Narkose konnte er keine Ver¬ 
änderung wahrnehmen. (Archiv f. experimentelle Pathologie, VI, S. 310.) Abgesehen 
von den Beobachtungen Mosso’s dürfte auch die bei vielen Menschen im Anfang des 
Schlafs wahrzunehmende Röthung des Angesichts eine Hemmung des Blutabflusses als 
nächste Wirkung wahrscheinlicher machen. Ferner ist es beachtenswerth , dass im 
Schlafe die Pupille stets verengt ist (Raehlmann und Wittkowski, du Bois-Reymond’s 
Archiv, 1 878, S. 109), während, wie Kussmaul und Tenner fanden, die Absperrung des 
Blutes vom Gehirn eine starke Erweiterung derselben hervorbringt. (Untersuchungen 
über Ursprung und .Arten der fallsuchtartigen Zuckungen bei der Verblutung. Frank¬ 
furt a. M. 1 857, S. 19.) Ueber das Verhalten der Pupille im wachenden und schlafenden 
Zustand vgl. auch W. Sander (Archiv f. Psychiatrie, IX, S. 129). Endlich ist hervor¬ 
zuheben, dass die Entstehung lebhafter Träume vorzugsweise durch solche Bedingungen 
begünstigt wird, welche mit einem gehinderten Blutabfluss aus der Schädelhöhle ver¬ 
bunden sind, wde Behinderungen der Athmung, Ueberfüllung des Magens u. dgl.
	        
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