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Störungen des Bewusstseins.
von welchen letzteren wohl vorauszusetzen ist, dass sie vorzugsweise
jenes Centralgebiet alteriren, an dessen functioneile Veränderung zunächst
der Eintritt des Schlafes geknüpft ist. Wo dieses hypothetische »Schlaf-
oentrum« anzunehmen sei, bleibt vorerst dahingestellt; doch ist es offen¬
bar nach den normalen Entstehungsbedingungen des Schlafes am nahe¬
liegendsten das Apperceptionsorgan selbst als dasselbe anzunehmen. Die
im Gefolge des Schlafes auftretenden Erscheinungen beweisen dann aber,
dass von diesem Centrum Wirkungen ausgehen, weiche das gesammte
centrale Nervensystem ergreifen, und welche durchweg den Charakter von
Hemmungswirkungen an sich tragen. Sie verrathen sich in der Herab¬
setzung der Herz- und Athembewegungen und sämmtlicher Absonderungen,
sowie in der Verminderung der Reflexerregbarkeit; die psycho-physische
Seite dieser centralen Hemmungen besteht darin, dass äußere Reize von
mäßiger Stärke nicht mehr percipirt und namentlich nicht appercipirt
werden können, und dass die Reproductionen wahrscheinlich ebenfalls
allmählich verschwinden.
Durch die Bestimmung derjenigen Reizstärke, welche erfordert wird
um Erwachen herbeizuführen, kann man ein gewisses Maß für die Tiefe
des Schlafes gewinnen. Der so ausgeführte Versuch bestätigt die all¬
gemeine Erfahrung, dass der Schlaf bald nach dem Einschlafen seine größte
Tiefe erreicht, auf der er aber meist nur kurze Zeit verharrt, um dann
in einen mehrere Stunden lang andauernden leisen Schlummer überzugehen,
welcher dem Erwachen vorangeht1). Zunächst ist der Schlaf wahrschein¬
lich in vielen Fällen ein Zustand vollständiger Bewusstlosigkeit, ähnlich
wie derselbe auch in der Ohnmacht besteht, die nur ein unter abnormen
Verhältnissen eintretender Schlaf zu sein scheint. Aber die allgemeine
Hemmung der centralen Functionen, welche der Eintritt des Schlafes
herbeiführt, bedingt nun weiterhin eine Reihe secundärer Veränderungen,
welche demnach ebensowohl als Wirkungen wie als Theilerscheinungen
des Schlafes betrachtet werden können. Es ist wahrscheinlich, dass die¬
selben sämmtlich in der Hemmung der Gefäß- und Athmungsinnervation
ihre nächste Quelle haben ; sicher ist es, dass namentlich durch Störungen
der Athmung alle jene Folgeerscheinungen beträchtlich verstärkt werden.
Durch die Hemmung beider Nervencentren wird vermuthlich eine Stö¬
rung in der Blutbewregung und jedenfalls eine solche in dem Stoffwechsel
1) Kohlschütter, Ztschr. f. rat. Med., 3. R., XVII, S. 209. Dem Erwachen und
Wiedereinschlafen pflegt, wie Kohlschütter fand, eine schneller vorübergehende Ver¬
tiefung zu folgen. Als eine Erhöhung der Reizschwelle lässt sich übrigens die Ver¬
änderung nicht betrachten, da der Erweckungsreiz nicht mit dem sonstigen Begriff der
Reizschwelle sich deckt. Ein Reiz, welcher kein Erwachen herbeiführt, kann gleich¬
wohl appercipirt werden, wie die illusorische Umgestaltung zu Traumvorstellungen
beweist.