Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Schlaf und Traum. 
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2. Schlaf und Traum. 
Die physiologischen Ursachen des Schlafes sind noch in Dunkel ge¬ 
hüllt. Nur dies kann mit einiger Sicherheit über ihn ausgesagt werden, 
dass er zu den periodischen Lebensvorgängen gehört, und dass daher 
seine nächste Quelle, wie die der bekannteren periodischen Functionen, 
z. B. der Athem- und Herzbewegungen, in dem centralen Nervensystem 
zu suchen ist. Die allgemeinen Bedingungen seines Eintritts machen 
außerdem die Annahme wahrscheinlich, dass die Erschöpfung der im 
Nervensystem disponibeln Kräfte, sobald sie einen gewissen Grenzwerth 
erreicht, in dem Schlaf einen Zustand herbeiführt, in welchem durch die 
stattfindende Muskelruhe und die verminderte Wärmebildung die erfor¬ 
derliche Ansammlung neuer Spannkräfte stattfindet. Doch sind diese all¬ 
gemeinen Erwägungen keineswegs genügende Erklärungsgründe. Dies 
ergibt sich namentlich daraus, dass ein hoher Grad von Ermüdung nicht 
nothwendig den Eintritt des Schlafes herbeiführt, und dass anderseits 
dieser auch ohne merkliche Ermüdung eintreten kann. Denn als eine 
zweite Bedingung von psycho-physischer Natur, welche der Ermüdung 
bald entgegenarbeitet bald mit ihr in gleichem Sinne wirkt, ist bekannt¬ 
lich die Beschäftigung der Aufmerksamkeit, die bald durch äußere Sinnes¬ 
reize bald durch reproducirte Vorstellungen erfolgen kann, von großem 
Einflüsse. Thiere verfallen fast mit Sicherheit in Schlaf, wenn man die 
gewohnten Sinneserregungen von ihnen abhält1); und bei Menschen, die 
wenig gewohnt sind sich intellectuell zu beschäftigen, kann'man die näm¬ 
liche Erscheinung beobachten2). Aehnlich dem Mangel äußerer Eindrücke 
können aber auch gleichförmig sich wiederholende Sinnesreize wirken ; 
ja in diesen Fällen ist die Wirkung eine noch sicherere, weil sie die 
Aufmerksamkeit von intellectuellen Beschäftigungen ablenken. Alle diese 
Thatsachen machen es wahrscheinlich, dass die Erschöpfung der Nerven- 
centren nur die allgemeine Bedingung des Schlafes ist, von welcher na¬ 
mentlich auch seine Dauer und Tiefe vorzugsweise abhängt, dass aber die 
nächste Entstehungsursache desselben stets auf einer directen centralen 
Veränderung beruht, welche normaler Weise bei aufgehobener oder herab¬ 
gesetzter Aufmerksamkeit zu entstehen pflegt. Durch eine solche directe 
Veränderung werden überdies am leichtesten gewisse krankhafte Schlaf¬ 
zustände3) sowie die Wirkungen der schlaferregenden Stoffe begreiflich, 
1) E. Heubel, Pflüger7 s Archiv, XIV, S. 186. 
2) Ueber einen interessanten Fall dieser Art berichtet A. Strümpell, ebend. XV, 
S. 573. 
3) Vgl. hierüber Fr. Siemens, Archiv f. Psychiatrie, IX, S. 72.
	        
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