Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Theorie der Localisation und der räumlichen Tastvorstellungen. 
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vationsempfindungen entstehe. Diese geben in ihrer intensiven Ab¬ 
stufung für die beiden Dimensionen des qualitativen Systems der Local¬ 
zeichen ein gleichförmiges Maß ab und vermitteln so die Anschauung einer 
stetigen Mannigfaltigkeit, deren Dimensionen einander gleichartig sind. 
Die Form der Fläche, in welche die Localzeichen geordnet werden, ist 
zunächst völlig unbestimmt. Sie wechselt mit der Form der betasteten 
Oberfläche. Durch die Bewegungsgesetze der Gliedmaßen sind aber solche 
Lageänderungen bevorzugt, bei welchen sich das Tastorgan geradlinig 
den Gegenständen entgegen oder an ihnen hinbewegt. Indem so die 
Gerade zum bestimmenden Element des Tastraumes wird, erhält der 
letztere die Form eines ebenen Raumes, in welchem die in ihrer Krüm¬ 
mung wechselnden Flächen, die wir durch Betastung wahrnehmen, auf 
drei geradlinige Dimensionen zurückgeführt werden. 
Die eigenthümliche Verbindung peripherischer Sinnesempfindungen 
und centraler Innervationsempfmdungen, welche hier die räumliche Ord¬ 
nung der ersteren hervorbringt, wollen wir als eine psychische Syn¬ 
these bezeichnen. Denn die herkömmlichen Bedeutungen des Begriffs 
der Synthese enthalten meistens die Beziehung auf neue Eigenschaften 
eines Productes, die in seinen Bestandtheilen noch nicht vorhanden waren. 
Wie im synthetischen Urtheil dem Subject ein neues Prädicat beigelegt 
wird, und wie bei der chemischen Synthese aus gewissen Elementen eine 
Verbindung mit neuen Eigenschaften entsteht: so liefert auch die psy¬ 
chische Synthese als neues Product die räumliche Ordnung der in sie ein¬ 
gehenden Empfindungen. Diejenigen Bestandtheile der Empfindungen, aus 
denen diese Ordnung entspringt, lassen daher erst durch eine psycholo¬ 
gische Analyse sich nachweisen. Die letztere kann aber auf die Elemente 
der räumlichen Vorstellung, da dieselben, wie oben bemerkt, nie isolirt 
Vorkommen, nur aus den Veränderungen zurückschließen, welche die 
Empfindungscomplexe, deren Bestandtheile sie bilden, unter verschiedenen 
Bedingungen erfahren. 
Indem die psychologische Analyse die genannten Elemente auffindet, fuhrt 
sie damit zugleich auf bestimmte phy s i o logis che Bedingungen, welche dem 
svnthetischen Process vorausgehen. Es muss nämlich 1) den Bewegungsem¬ 
pfindungen die Eigenschaft zukommen zur Abmessung bei der Transformation 
des ungleichartigen in ein gleichartiges Continuum dienen zu können, sodann 
muss 2) das Tastorgan für die Ausbildung und Abstufung der Localzeichen die 
erforderlichen Anlagen der Structur besitzen; und endlich wird 3) nach phy¬ 
siologischen Vorbedingungen zu suchen sein, welche den Act der Synthese selbst 
vermitteln helfen. Was den ersten dieser Punkte betrifft, so gibt es vor allen 
eine Classe von Empfindungen, nämlich die unmittelbar von den centralen 
Willensacten abhängigen Muskelempfindungen, welch« als gleichartiger Maßstab 
Wusdt, Grundzüge. II. 3. Aufl. 3
	        
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