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Gnmüthsbewegungen.
Gleichförmigkeit besitzen. Besonders bei den sinnlichen Gefühlen ist dies
deutlich. Der Schmerz hat nicht nur viele Stärkegrade, sondern auch je
nach seinem Sitz mancherlei Färbungen ; aber das gehobene Gemeingefühl
ist wenig veränderlich.
In seiner psychologischen Entslehungsweise bildet der Trieb den Gegen¬
satz oder auch, wenn man will, die Ergänzung zum Affecte. Dieser letz¬
tere beginnt mit der unmittelbaren Einwirkung gegenwärtiger Gefühle auf
den Verlauf der Vorstellungen. Der Trieb dagegen ist eine durch Ge¬
fühle entstandene Veränderung dieses Verlaufes, welche auf eine äußere
Bewegung und mittelst derselben auf die zukünftige Herbeiführung oder
Vermeidung gewisser Gefühle gerichtet ist. Deutlich spricht dieses Ver¬
hältnis in den einfachsten Formen von Affect und Begehren, in den Zu¬
ständen der Ueberraschung und der Erwartung sich aus1). Jede Spannung
der Apperception, wodurch sich diese einer zu erfassenden Vorstellung
zuwendet, ist eine elementare Triebäußerung, die sich als Begehrung
oder Widerstrebung gestaltet, wenn der Inhalt der Vorstellung Anlass gibt
zu Gefühlen der Lust oder Unlust. In diesem weiteren Sinne könnte man
also die ganze Bewegung der Aufmerksamkeit, welche den Verlauf der
Vorstellungen durch den Blickpunkt des Bewusstseins bestimmt, eine Trieb¬
äußerung nennen. In der That findet sich von jenem Streben von einem
Eindruck zum andern, welches dem gewöhnlichen Verlauf unserer Vorstel¬
lungen zu Grunde liegt, bis zu den heftigsten Aeußerungen des Begehrens
eine stetige Reihe von Uebergangszuständen. Streng genommen ist jeden
Augenblick in uns ein Begehren ebensowohl wie ein Gefühl und ein Affect :
aber aus allen den leise anklingenden Gemüthszuständen heben wir in der
Regel die stärkeren hervor, nach denen wir die ganze Gemüthslage be¬
stimmen, indem wir so bald das Gefühl bald den Affect bald den Trieb
als das herrschende in uns anerkennen. Als physiologische Grundlage
des Begehrens und Widerstrebens müssen wir endlich nach dem ganzen
Wesen dieser Zustände jene Innervation ansehen, auf welche die Span¬
nung der Apperception zurückführt2). Diese Innervation erfolgt bei den
angeborenen Trieben reflectorisch, indem dabei bestimmte Verbindungen
innerhalb der nervösen Centralorgane, zu denen eine durch frühere Ge¬
nerationen allmählich erworbene Disposition besteht, in Wirksamkeit
treten. Andere Verbindungen werden erst unter dem Einfluss indivi¬
dueller Erlebnisse sich ausbilden. Bei den höheren Trieben vollends
werden gewisse Complexe reproducirter Vorstellungen den inneren Reiz
bilden, der die Erregung verursacht. Diese Erregung selbst bleibt in
1) Siehe oben S. 4 08.
2) S. 239 f.