Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Affecte und Triebe. 
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ception stattfinden muss. Hierin sehen wir die Hauptunterschiede des 
sthenischen und des asthenischen Affectes schon vorgebildet. Immer ist 
es ferner die momentane Anpassung an den Eindruck, welche das Stadium 
des Affectes bestimmt. Ueberströmend und in energischen Ausdrucksbe¬ 
wegungen sich Luft machend ist dieser in solchen Augenblicken, wo die 
Apperception den Eindruck beherrscht; lähmend wirkt er, wenn der Ein¬ 
druck entweder plötzlich das Bewusstsein überwältigt, oder wenn dieses 
durch längeres Ankämpfen gegen denselben erschöpft ist. 
Jede Apperception führt, wie wir gefunden haben, auf eine Willens¬ 
erregung zurück1); ihre physiologische Grundlage ist daher jene von den 
Willenscentren ausgehende Innervation, welche sowohl auf die centralen 
Sinnesgebiete wie auf die motorischen Leitungsbahnen überfließen kann. 
Ist nun der Eindruck so heftig, dass die Apperception mit großer An¬ 
strengung verbunden ist, dann treten unwillkürlich nicht nur motorische 
Miterregungen, sondern sogar weitere Rückwirkungen auf die Gentren der 
Ernährungsorgane ein. So kommt es, dass der Affect mit unwidersteh¬ 
licher Macht Ausdrucksbewegungen, Veränderungen im Herzschlag, in der 
Athmung und den Absonderungen mit sich führt; und damit erklärt sich 
zugleich die lösende Wirkung dieser Folgezustände, welche die heftige 
Spannung von dem Centralorgan ableiten. Ist aber die Gewalt des Ein¬ 
drucks zu stark, so äußert sich auch an den Bewegungsorganen die 
Wirkung jeder übermächtigen Reizung, die Lähmung. 
Wenn man die geistigen und körperlichen Folgen eines stürmischen 
Affectes mit jenem einfachsten Fall zusammenhält, wo ein unerwarteter 
Eindruck verspätet appercipirt wird, so scheint freilich eine weite Kluft 
diese Zustände von einander zu trennen. Dennoch ist dieselbe von den 
allmählichsten Abstufungen der Gemüthsbewegung ausgefüllt. Wir dürfen 
dabei nicht vergessen, dass sich in unserm entwickelten Seelenleben außer¬ 
ordentlich mannigfache Beziehungen der Vorstellungen ausgebildet haben, 
welche äußern Eindrücken und Erinnerungsbildern, die an und für sich 
von wenig Bedeutung wären, eine ungeheuere Macht verleihen durch die 
Rückwirkung, welche sie auf den in uns liegenden Reichthum an Vor¬ 
stellungen und Gefühlen äußern. Jener einfachste Affect der Ueberraschung 
verhält sich zu solchen complicirteren Gemüthsbewegungen etwa wie das 
ästhetische Gefühl, das von einer einfachen geometrischen Form ausgeht, 
zu der Wirkung eines Kunstwerkes. Wenn wir vor dem Schuss einer 
gegen uns abgefeuerten Pistole zusammenschrecken, so wird bei diesem 
verhältnissmäßig noch einfachen Affect die überraschende Wirkung des 
plötzlichen Eindruckes schon durch die momentan angeregte Vorstellung 
L S. 240.
	        
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