Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Simultane Associationen. 
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Alle diese Vorgänge unterscheiden sich durch die völlige Einfluss¬ 
losigkeit des Willens auf die Art ihres Eintritts auf das bestimmteste 
von den nachher zu erörternden apperceptiven Verbindungen der Vor¬ 
stellungen, wie sie auch in allen andern Beziehungen als die den übrigen 
Associationen nächtsverwandten Processe sich darstellen1). Es erscheint 
daher so unzweckmäßig wie möglich, dass man noch immer vielfach spe- 
ciell den Assimilationsprocess mit dem Namen der Apperception belegt, 
indem man nach dem Vorgang von Herbart den einen Theil der Componenten 
als die appercipirenden, und den andern als die appercipirten Vorstellungs¬ 
massen bezeichnet. Durch diese Unterscheidung wird die Apperception 
ganz aus ihrer Stelle gerückt, indem man sie in schroffem Widerstreit mit 
aller inneren Erfahrung aus einem Act des Gesammtbewusstseins in 
ein Attractionsphänomen zwischen einzelnen Vorstellungen um wandelt. 
Hierdurch hat der Begriff derselben seinen charakteristischen Inhalt völlig 
verloren, da er in Wahrheit vollständig dem der Association Platz ge¬ 
macht hat. Eine so wichtige Grundlage aber auch die Associationen und 
speciell die Assimilationen für die höheren psychischen Entwicklungen 
bilden, so lassen sich doch nimmermehr diese in jene ohne Best auflösen. 
Die letzte und loseste Form der simultanen Association besteht in 
den Complicationen der Vorstellungen. So wollen wir mit 
Herbart die Verbindungen disparater Vorstellungen nennen2 *). Das 
Dasein einer Complication pflegt sich durch die Beproduction zu verrathen. 
Wenn nämlich in einem gegebenen Fall einer der Sinneseindrücke, welche 
die complexe Vorstellung bilden, hinwegbleibt, so wird derselbe trotzdem 
hinzugedacht, ähnlich w7ie dies in Bezug auf fehlende Bestandtheile der 
Einzelvorstellung bei der Assimilation geschieht. Die meisten unserer 
Vorstellungen sind so in Wirklichkeit Complicationen, da im allgemeinen 
jedes Ding mehrere disparate Merkmale besitzt. Dabei sind aber aller¬ 
dings diejenigen Elemente, welche nicht direct aus Sinneseindrücken her¬ 
vorgehen, oft sehr schwach und unbestimmt, so z. B. w7enn sich mit dem 
Gesichtsbild eines Körpers eine undeutliche Vorstellung seiner Härte und 
Sclrwere, mit dem Anblick eines musikalischen Instrumentes ein leises 
Klangbild verbindet u. s. w. Diese Phantasiebestandtheile w7erden stärker, 
wenn die unmittelbare Sinneswahrnehmung schon eine Hindeutung auf die 
Beschaffenheit der übrigen Empfindungen enthält. Auf diese Weise bilden 
1) Beachtenswerth ist in dieser Hinsicht namentlich der Parallelismus mit der 
snccessiven Association bei der Ideenflucht der Irren. Im selben Maße wie bei 
der letzteren die Associationsreihen die apperceptiven Vorstellungsverbindungen ver¬ 
nichten , pflegen sich auch die Assimilationen durch das Uebergewicht der reproduc- 
tiven Elemente zu phantastischen Illusionen zu steigern. 
2) Herbart, Psychologie als Wissenschaft. Werke, V, S. 361. 
Wundt, Grundzüge. II. 3. Aufl. 
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