Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

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Apperception und Verlauf der Vorstellungen. 
nungen mit den früher (S. 253) besprochenen Schwankungen der Auf¬ 
merksamkeit im Zusammenhang stehen. Auch kann man bei der Aus¬ 
führung derartiger Beobachtungen leicht subjectiv wahrnehmen, dass 
unwillkürlich nach kurzer Zeit die auf den neuen Eindruck gerichtete 
Spannung erlahmt, dann wiederkehrt, um nach kurzer Zeit abermals zu 
sinken, u. s. w. Fällt nun der Yergleichston in die Periode der wachsenden 
Spannung der Aufmerksamkeit, so wird sich dies in einer schärferen 
Auffassung, fällt er in eine Periode der sinkenden Spannung, so wird es 
sich in einer ungenaueren Auffassung der Tonhöhe verrathen. 
Die allgemeine Gesetzmäßigkeit in dem hier geschilderten Verlauf, 
wie sie, abgesehen von den erwähnten periodischen und nicht-periodischen 
Schwankungen, durch die punktirt gezogene Linie der Fig. 210 dargestellt 
wird, lässt sich nun auch bei verwickelteren Gedächtnissleistungen und 
für größere Zeiträume feststellen. So fand Ebbinghaus, als er verschiedene 
Reihen von Worten erlernte, um sie, nachdem sie theilweise oder ganz 
vergessen worden waren, nach verschiedenen Zeitzwischenräumen wieder 
zu lernen, folgende Werthe v für das aus dem Gedächtniss Entschwundene. 
Die Zwischenzeit t ist in Stunden, der Werth v dagegen in der Differenz 
zwischen der zum ersten Lernen und der zum zweiten Lernen erforder¬ 
lichen Zeit ausgedrückt: 
t 0,33 1,0 8,8 24 48 4 44 744 
v 41,8 55,8 64,2 66,3 72,2 74,6 78,9 
Auch hier bemerkt man anfangs einen raschen, später nur noch einen 
sehr langsamen Abfall. Während im Verlauf der ersten Stunde schon 
über die Hälfte des Eingeprägten erloschen ist, erfolgt in dem Zeiträume 
zwischen dem 2. und dem 31. Tag nur noch eine sehr geringe Ver¬ 
änderung 1). 
Begünstigt wird, wie schon die alltägliche Erfahrung lehrt, die treue 
Erneuerung der Vorstellungen durch häufige Wiederholung der 
gleichen Eindrücke. Entsprechend dieser Erfahrung fand Ebbinghaus, 
dass, wenn man sich an auf einander folgenden Tagen die nämlichen 
Reihen von Wortvorstellungen immer von neuem einprägt, die relative 
Ersparniss an Wiederholungen mit der Länge der Reihen beträchtlich 
zunimmt, während derselbe Umstand bekanntlich die erste Einprägung in 
rasch steigendem Maße erschwert. Die häufige Wiederholung, welche 
längere Pieihen zu ihrem ersten Festhalten erfordern, befestigt sie also 
zugleich länger im Gedächtniss. Wiederum nimmt hier die Zahl der 
erforderlichen Wiederholungen zuerst schneller und dann immer langsamer 
1) Ebbinghaus, Ueber das Gedächtniss. Leipzig 1885, S. 62, 85 ff.
	        
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